Pompeo Girolamo Batoni war einer der wohl größten Maler des 18. Jahrhunderts. Er wurde in Lucca geboren, lebte jedoch fast ein halbes Jahrhundert lang in Rom. Obwohl in erster Linie als unwiderstehlich schmeichelnder Porträtist der gelangweilten und glamourösen aristokratischen Elite seiner Zeit bekannt, auf die er größtenteils im Zuge der Grand Tour derselben traf, schuf er jedoch auch religiöse Gemälde, klassische Historien und Mythologien, wie dieses Paar.
Die Gemälde „Venus überreicht Aeneas die Waffen des Vulkan“ und „Herkules am Scheideweg“ entstanden im Auftrag von Fürst Joseph Wenzel I. von Liechtenstein über einen seiner Agenten in Rom und sind beide mit den Initialen „P.B“ sowie der Jahreszahl 1748 versehen. Das erste ist eine dunstig atmosphärische, jedoch gleichwohl verblüffend getreue Illustration einer berühmten Episode aus dem VIII. Buch von Vergils „Aeneis“. Es zeigt den Helden des Epos, Aeneas, dem eine Rüstung und ein sehr prominent platzierter Schild von seiner eigenen Mutter, der Göttin Venus überreicht wird, die vom geflügelten Amor und einem weiteren Putto begleitet wird. Vergil siedelt dieses Zusammentreffen an einem kühlen Strom an. Im Vordergrund fügt Batoni die Figur eines Flussgottes ein, mit den traditionellen Attributen von Ruder und Urne, aus der Wasser fließt. Die Tatsache, dass er dabei von einem Wolf begleitet wird, spielt auf die Geschichte der Gründung der ewigen Stadt durch Romulus an, der – zusammen mit seinem Zwillingsbruder Remus – von einer Wölfin gesäugt wurde, und damit auch auf Aeneas Rolle in ihrer legendären Geschichte.
Batonis Vater war Goldschmied und sein Sohn wandte besondere Sorgfalt auf die akribisch genaue Dekoration des Schildes auf, dessen zentrale Szene in der unteren Hälfte eine detailgetreue Kopie des Freskos „Davids Sieg über die Ammoniter“ in Raffaels vatikanischen Loggien ist.
Das Gegenstück zeigt „Herkules am Scheideweg“, bisweilen auch als „Die Wahl des Herkules“ bezeichnet, eine Episode, die den mächtigsten aller Männer zwischen Personifikationen der Tugend (eine aufrecht stehende, bewaffnete Jungfrau mit Helm, die von hinten dargestellt ist und auf einen in weiter Ferne sichtbaren Tempel auf einem Hügel weist) und des Lasters (eine verführerische Gestalt an seinem Oberschenkel, deren entblößtes Dekolleté und offenes Haar darauf schließen lassen, dass sie viel mehr zu bieten hat, als nur die Rose in ihrer Linken oder die zu ihren Füßen liegenden musikalischen Requisiten.) Das Laster hält zudem eine Maske in der Hand, die für Täuschung steht. Letzten Endes wird der Held sie wohl abweisen, doch im Moment wirkt er verträumt, nicht in der Lage zu handeln und seltsam entmannt, während zwei Putti mit der Keule und dem Löwenfell spielen, den Symbolen seiner zumindest zeitweise abhanden gekommenen Männlichkeit.
- Material/Technik
- Öl auf Leinwand, undoubliert
- Masse
- 99 × 74 cm
- Erwerb
- erworben durch Fürst Joseph Wenzel I. von Liechtenstein
- Künstler/Beteiligte
- Pompeo Girolamo Batoni
- Inventarnummer
- GE 163
- Signatur/Bezeichnung
- sign. und dat. unten rechts: P.B.1748.
- Provenienz
- Erworben durch Fürst Joseph Wenzel I. von Liechtenstein nach Auftrag vom Künstler gemeinsam mit dem Pendant (Inv.-Nr. GE 161); 1805 erwähnt im Galeriekatalog (Manuskript) von Johann Dallinger von Dalling (mit dem Hinweis auf ein heute verlorenes Inventar des 18. Jahrhunderts, in dem das Gemälde als Eigentum Joseph Wenzels I. in dessen privater Galerie im Majoratshaus in der Wiener Herrengasse geführt wird)
- Ikonografie
- Venus überreicht Aeneas die Waffen des Vulkan
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