
Die Kunst der Pietra Dura, für die verschiedenfarbige Steine kunstvoll kombiniert werden, um eine überzeugende Illusion der Wirklich zu erschaffen, stammte ursprünglich aus Florenz. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde sie an den Hof Rudolfs II. in Prag exportiert, wo Giovanni Castrucci, sein Sohn Cosimo di Giovanni und sein Schwiegersohn Giuliano Pandolfini bald zu den ihren Hauptvertretern zählten.
In Tafeln, wie jenen in den Fürstlichen Sammlungen (SK 1460, SK 1461, SK 1462, SK 1463), werden die malerischen Möglichkeiten des Mediums an die äußerste Grenze getrieben. Die Schönheit der einzelnen Steine ist spektakulär und die raffinierte Evokation von Entfernung wirkt nahezu mühelos. Die spezifische kompositorische Grundlage für die zweite dieser Platten „Landschaft mit Turm und Häusern auf einem Fels" (SK 1461) ist ein Stich von 1593, signiert von Johannes Sadeler, doch sind auch andere Varianten der Komposition bekannt. Ihnen allen lag wohl als ursprüngliche Quelle ein Originalentwurf des Niederländers Paul Brill zugrunde, einem der Pioniere der eigenständigen Landschaftsmalerei, der auch in Italien tätig war. Die einzige wesentliche Änderung zum Druck Sadelers ist die Figur des einen Hügel emporsteigenden Mannes am rechten Rand, der ebenfalls auf einem früheren Entwurf basiert, auch hier zweifellos über die Vermittlung eines Druckes. In diesem Fall ist der Prototyp eine der Begleitfiguren in Andrea del Sartos Fresko der „Heimsuchung“ im Chiostro dello Scalzo in Florenz – eine gefeierte Arbeit, die sowohl von Enea Vico als auch von Antonio Salamanca um die Mitte des 16. Jahrhunderts als Stich reproduziert wurde. Die Darstellungen unterscheiden sich durch ihre umgekehrte Ausrichtung und den Tausch des Korbes im Original durch ein Stück einer Säule in der Pietra-Dura-Tafel. Angesichts der Tatsache, dass für diese Tafel nachweislich Komponenten eines Drucks für die Landschaft und eines anderen für das Figurenelement zum Einsatz kam, ist man versucht anzunehmen, dass auch die anderen Tafeln in ähnlicher Weise produziert wurden, obwohl bislang keine entsprechenden Quellen ermittelt werden konnten. Im Fall der dritten Tafel „Landschaft mit Stadt an einem Fluss“ (SK 1462) unterstreicht die Existenz einer schwächeren Version im Kunsthistorischen Museum in Wien, die Anlass zu der Annahme gibt, dass sie in der gleichen Werkstatt entstanden ist, die außerordentliche Virtuosität dieser besonderen Gruppe an Pietra Dura-Meisterwerken.
- Material/Technik
- Hartgesteine, Marmor; Pietra Dura
- Masse
- 17,8 × 24,8 cm
- Erwerb
- vermutlich erworben durch Fürst Karl Eusebius I. von Liechtenstein
- Derzeit ausgestellt
- Gartenpalais, Permanente Präsentation
- Künstler/Beteiligte
- Giuliano di Piero Pandolfini
- Inventarnummer
- SK 1460
- Provenienz
- vermutlich erworben durch Fürst Karl Eusebius I. von Liechtenstein
- Entstehungsort
- Florenz
- Ikonografie
- Flusslandschaft
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