Sebastiano Ricci war der erste venezianische Künstler von Rang seit der Renaissance, und in diesem Sinn der Begründer der Größe der Stadt im 18. Jahrhundert, indem er in erster Linie den Weg für Giambattista Tiepolo ebnete. Sein wahrer Meister war Paolo Veronese (1528–1588), dessen hellfarbigen Tonalitäten und unbeschwerter Herangehensweise an mythologische und historische Themen er ergeben jedoch niemals sklavisch nacheiferte. Er war weit gereist und erwarb sich im Zuge dessen einen spektakulären europaweiten Ruf, wie sich erfolgreich in seinem Auftrag von Lord Burlington für das Treppenhaus von Burlington House – heute die Royal Academy – nächst Piccadilly im Herzen Londons zeigte, für das er vier Mythologien schuf.
Dieses Paar monumentaler Gemälde, „Der Raub der Sabinerinnen“ und „Der Kampf der Römer gegen die Sabiner“, wurde 1819 in Wien durch Fürst Johann I. von Liechtenstein erworben, zur Geschichte vor diesem Ankauf ist allerdings nichts bekannt. Da die Gemälde jedoch aus stilistischen Gründen um das Jahr 1700 datiert werden können, liegt die Vermutung nahe, dass sie in Wien gemalt wurden, wo Ricci um 1701/02 mit der Arbeit an einem grandiosen Deckenfresko der „Allegorie fürstlicher Tugenden“ für die Blaue Stiege in Schloss Schönbrunn beschäftigt war. Dann könnte es sich sogar um einen kaiserlichen Auftrag gehandelt haben der – angesichts der immensen Größe – vermutlich für einen bedeutenden Mäzen entstanden ist. Während es sich beim „Raub der Sabinerinnen“ um ein relativ weit verbreitetes Motiv in der Kunstgeschichte handelt, ist das beim „Kampf“, der einen späteren Augenblick in der Geschichte darstellt (die Kinder sind die Folge des Raubes), nicht der Fall. Für Ersteres bediente sich Ricci eines sehr berühmten früheren Konzepts des römischen Malers Pietro da Cortona als Vorbild, das sich heute in den Musei Capitolini befindet, wobei die interessanteste Hinzufügung das seltsam entkörperte Stillleben im Vordergrund ist. Die zweite Komposition entspringt jedoch seinem eigenen Entwurf, obwohl der prominent platzierte Krieger im Profil auf der linken Seite von der klassischen Marmorskulptur des „Borghesischen Fechters“ inspiriert ist. Beiden Gemälden ist jedenfalls eine gemeinsame Vorliebe für wogende Brüste und entblößte Oberkörper zu Eigen, angesiedelt in einer historisch angenehm weit entfernten Antike.
- Material/Technik
- Öl auf Leinwand, undoubliert
- Masse
- 197 × 303 cm
- Erwerb
- erworben 1819 durch Fürst Johann I. von Liechtenstein
- Derzeit ausgestellt
- Gartenpalais, Permanente Präsentation
- Künstler/Beteiligte
- Sebastiano Ricci
- Inventarnummer
- GE 243
- Provenienz
- erworben 1819 durch Fürst Johann I. von Liechtenstein von Giovanni Querci della Rovere, Bergamo
- Ikonografie
- Kampf der Römer gegen die Sabiner
Jacob von Falke, Katalog der fürstlich Liechtensteinischen Bilder-Galerie im Gartenpalais der Rossau zu Wien, Wien 1873 , S. 51, Kat. 422
Jacob von Falke, Katalog der fürstlich Liechtensteinischen Bilder-Galerie im Gartenpalais der Rossau zu Wien, Wien 1885, S. 35, Kat. 243
J. von Derschau, Sebastiano Ricci. Ein Beitrag zu den Anfängen der venezianischen Rokokomalerei, Heidelberg 1922, S. 163, Nr. 21b (als irrtümlich Sebastiano Ricci zugeschrieben), S. 165, Abb. 152
Jeffery Daniels, L'opera completa di Sebastiano Ricci (Classici dell'Arte, 89), Mailand 1976, S.98, Nr. 127, Abb. 127
Jeffery Daniels, Sebastiano Ricci, Hove 1976, S. 138, Anm. 1, S. 152, Nr. 527b, Abb. 363
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Pfäffikon 18 juin - 27 aout 1978
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13 septembre - 5 novembre 1978, Zürich-Mailand 1978, 145, Kat. 106
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Johann Kräftner, Andrea Stockhammer, Liechtenstein Museum Wien. Le Collezioni, München 2004, S. 217, Abb. S. 194-195, Kat. VI.9
Johann Kräftner, Andrea Stockhammer, Liechtenstein Museum Vienna. The Collections, Johann Kräftner (Hg.), München–Berlin–London–New York 2004, S. 217, Abb. S. 194-195, Kat. VI.9
Johann Kräftner, Andrea Stockhammer, Liechtenstein Museum Wien. Die Sammlungen, Johann Kräftner (Hg.), München–Berlin–London–New York 2004, S. 217, Abb. S. 194-195, Kat. VI.9
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Ausst.-Kat. Menschenbilder – Götterwelten. The Worlds of Gods and Men, Johann Kräftner (Hg.), Dom Quartier Salzburg (Residenzgalerie Salzburg und Nordoratorium), Salzburg 30.7.–16.10.2016, erschienen Wien 2016, S. 148–155, Kat.-Nr. 30
Ausst.-Kat. Menschenbilder – Götterwelten. The Worlds of Gods and Men, Johann Kräftner (Hg.), Dom Quartier Salzburg (Residenzgalerie Salzburg und Nordoratorium), Salzburg 30.7.–16.10.2016, erschienen Wien 2016, S. 148–155, Kat.-Nr. 30
Ausst.-Kat. Von Rubens bis Makart. Die Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein, Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Albertina, Wien 16.2.2019–10.6.2019, erschienen Köln 2019, S. 232–237, Kat.-Nr. 64
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