
Eglon Hendrik van der Neer wurde in Amsterdam als Sohn des angesehenen Landschaftsmalers Aert van der Neer geboren. Dieser dürfte ihn unterrichtet haben, doch ist sein tatsächlicher Meister im Porträt- und Historienmaler Jacob van Loo zu finden. Van der Neers Karriere war erfolgreich und ungewöhnlich rastlos, und führte ihn von Amsterdam ins Fürstentum Orange in Südfrankreich, nach Rotterdam, Brüssel und schließlich nach Düsseldorf, wo er Hofmaler von Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz werden sollte.
Das vorliegende Gemälde, das signiert und auf der Tischplatte mit 1665 datiert ist, gehört zu seinen erlesensten Arbeiten. Nachgewiesen wurde, dass es auf einem heute verlorenen Prototyp Gerard ter Borchs beruht, das in Form einer Kopie bekannt ist – es war keineswegs das einzige Werk, in dessen Ausführung van der Neer von dem berühmten Genremaler beeinflusst wurde. Der Künstler porträtiert eine elegant gekleidete junge Frau, scheinbar unter einem Scheinwerfer auf einem scharlachroten mit Nieten besetzten Stuhl sitzend, gekleidet in Rot, Rosa und Weiß. Der Raum hinter ihr ist in eine beinahe stygische Düsternis getaucht, sodass sich als einziges Ausstattungselement ein Orientteppich ausmachen lässt. Sie bietet einem nicht sichtbaren – jedoch vermutlich männlichen – Begleiter einen Teller mit Austern und einer geschälten Zitrone an. Die Bearbeitung ist weitaus subtiler als bei Genreszenen dieser Art oftmals üblich, doch die erotische Konnotation der Austern lässt darauf schließen, dass Liebe in der Luft liegt. Wie dem auch sei, van der Neers makellose Technik garantiert, dass all die unterschiedlichen Materialien und Oberflächen – die Seide und der Satin der Kleidung der Frau, der Keramikkrug und das zerbrochene Brötchen auf dem Tisch neben ihr – beinahe greifbar zum Leben erweckt werden.
- Material/Technik
- Öl auf Eichenholz, originale Rückseite
- Masse
- 30,8 × 26,8 cm
- Erwerb
- vermutlich erworben vor 1712 durch Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein
- Derzeit ausgestellt
- Gartenpalais, Permanente Präsentation
- Künstler/Beteiligte
- Eglon van der Neer
- Inventarnummer
- GE 475
- Signatur/Bezeichnung
-
rechts an der Tischplatte bez.: E. van der Neer 1665f.
Siegel: rückseitig zwei unidentifizierte Wappensiegel, davon eines mit Doppeladler (in Rot)
- Provenienz
- erwähnt in einem 1720 datierten handschriftlichen Inventar (FA 69) als „No. 53: Von den Neer, ein Weib mit weysen atlas bekleidet, 1 stuck, 150 fl. r.“, vermutlich erworben vor 1712 durch Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein
- Entstehungsort
- Holland
- Ikonografie
- Frauenporträt, nicht identifiziert
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