Der Heldentod des römischen Konsuls Decius Mus ist ein in der Antikenüberlieferung mehrfach zitiertes „exemplum virtutis“, also ein Beispiel für besonders tugendhaftes Handeln. Rubens war der erste Künstler, der den Bericht des Livius vom Krieg der Römer gegen die Latiner aus dem Jahre 340 vor Christi Geburt in das Medium der Malerei übersetzte. Die Bewohner der Ebene von Latium hatten sich gegen die römische Vorherrschaft erhoben und forderten die Römer mit einem an Stärke überlegenen Heer zur Schlacht heraus. Im Lager bei Capua hatten die römischen Oberbefehlshaber, die Konsuln Decius Mus und Titus Manlius denselben Traum: Jenes Heer würde siegen, dessen Feldherr in der Schlacht fällt. Rubens reduziert seine Erzählung auf den Helden seiner Gemäldefolge: Im ersten Bild tritt Decius allein vor sein Heer, um von seinem Traum zu berichten. Titus Manlius bleibt unbeachtet. Der Künstler zeigt Decius Mus auf einem Podest stehend in gebieterischer Haltung, vor ihm haben sich Standartenträger verschiedener Einheiten in entsprechend unterschiedlicher Kampfkleidung versammelt. Eine Ölskizze zu diesem Gemälde in der National Gallery of Art, Washington, zeigt, dass Rubens überlegt hatte, die profane Historie mit Anspielungen auf die antike Götterwelt zu bereichern, indem er über dem Haupt des Konsuls den Adler des Jupiter wie einen göttlichen Beschützer schweben liess. Doch in der Ausführung verzichtete er auf die mythologische Überhöhung. Im Typus der Darstellung folgte Rubens einer vor allem in der Antike gebräuchlichen Bildformel, der Adlocutio, des zu seinen Legaten und Tribunen in erhöhter Position sprechenden Feldherrn. Solche Darstellungen finden sich auf den Triumphmonumenten Roms, dem Konstantinsbogen und der Trajanssäule. Letztere diente Rubens mit einer ihrer Reliefszenen auch als direktes Vorbild. Er befürwortete das kreative Verarbeiten einer antiken Bilderfindung, betonte aber in seiner Schrift „De Imitatione Statuarum“ auch die Notwendigkeit des einfühlsamen Verständnisses für die Vorlage. Ausserdem sei es ratsam, „dass man einen einsichtigen Gebrauch von ihnen macht, der in keiner Weise den Stein merken lässt“. Bei Rubens Übersetzung der Reliefszene in das Medium der Malerei bleibt zwar der friesartige Charakter erhalten, doch ist die symmetrische Anordnung der Figuren im antiken Vorbild nun einer lebendigen Variation mit vielfältigen Bewegungsmotiven gewichen. Auch der offene malerische Duktus bewirkt eine zusätzliche Dynamisierung.
- Material/Technik
- Öl auf Leinwand, undoubliert
- Masse
- 294 × 279 × 4 cm
- Erwerb
- erworben 1693 durch Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein
- Derzeit ausgestellt
- Gartenpalais, Permanente Präsentation
- Künstler/Beteiligte
- Peter Paul Rubens
- Inventarnummer
- GE 47
- Signatur/Bezeichnung
- Siegel: auf der Vorderseite rechts unten F.-L. Vormundschaftssiegel von 1733 in Schwarz
- Provenienz
- 1660 gemeinsam erworben durch die Händler Jan Karel de Witte und Jan Baptist van Eyck sowie den Maler Gonzales Coques in Antwerpen; 1692 erwähnt im Nachlassinventar von Jan Baptist van Eyck und dessen Sohn Pieter Jacob van Eyck; 1692 Kaufangebot des Antwerpener Händlers Marcus Forchondt an Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein; 1693 von diesem erworben; 1767 dokumentiert in der „Camera Quinta“ des Majoratspalais Liechtenstein in der Bankgasse; 1807–1942 in der Galerie im Gartenpalais Liechtenstein in der Rossau; 1942 Schloss Feldsberg (Valtice); 1944 Klosterneuburg; 1948 Schloss Vaduz
- Entstehungsort
- Antwerpen
- Ikonografie
- Decius Mus
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