Christus trägt das Kreuz
Vincenzo Catena (1480–1531)

Catena war Anfang des 16. Jahrhunderts in Venedig aktiv, vor allem als Maler kleinformatiger religiöser Gemälde und Porträts, obgleich sein leuchtkräftiges und abgeklärtes Hochaltarbild des „Martyriums der heiligen Christina“ für die Kirche Santa Maria Mater Domini in Venedig keinen Zweifel daran lässt, dass er sich auch im Großformat auszeichnete, wenn er die Gelegenheit dazu erhielt. Seine Kunst ist im Wesentlichen konservativ und lässt eindeutig den Einfluss von Giovanni Bellini (um 1435–1516) erkennen, des mit Abstand größten Künstlers im Venedig des 15. Jahrhunderts. Noch 1506 wurde dieser von Albrecht Dürer als „immer noch der Beste in der Malerei“ bezeichnet, der gleichwohl fast ein halbes Jahrhundert vor Catena geboren wurde. Trotz dessen scheint sich Catena eine Werkstatt mit Giorgione geteilt zu haben, dem wohl innovativsten venezianischen Maler des ersten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts, ehe dieser bereits 1510 verstarb.
Die vorliegende Arbeit ist ein eindrucksvolles Beispiel für ein religiöses Motiv, gezeigt in dramatischer Nahaufnahme. Das kunstvoll gearbeitete Brustbild erfreute sich zu jener Zeit allgemein großer Beliebtheit, während das Motiv in Venedig besonders nach 1500 sehr populär war, mit relativer Sicherheit aufgrund des Nachbebens, das die Zeichnung „Christus trägt das Kreuz“ hinterließ, die Leonardo da Vinci bei einem Besuch der Stadt im gleichen Jahr geschaffen hatte. Indem Catena Christus vor einem dunklen Hintergrund situiert und dieser mit seinem durchdringenden und von Pathos erfüllten kontemplativen Blick dem unseren begegnet, gelingt es dem Künstler, eine Episode, die sich ganz einfach als lärmende Massenszene darstellen ließe, zu einem Augenblick stiller und privater Gemeinschaft zwischen Betrachter und Betrachtetem werden zu lassen.
- Material/Technik
- Öl auf Holz, parkettiert
- Masse
- inkl. Anstückung 3,4 cm: 47 × 38 cm
- Erwerb
- vermutlich erworben durch Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein
- Künstler/Beteiligte
- Vincenzo Catena
- Inventarnummer
- GE 35
- Provenienz
- erstmals erwähnt 1780 im Galeriekatalog "Description des Tableaux, et des Piéces de Sculpture, ..." von Johann Dallinger von Dalling d. Ä., vermutlich erworben durch Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein von seiner Schwester Maria Theresia, verwitwete Gräfin von Wagensperg
- Ikonografie
- Kreuztragung
Johann Dallinger von Dalling d. Ä., Catalogus, Manuskript verfasst 1805–1807, (als Leonardo, Nr. 32 der Herrengassengalerie), Kat.-Nr. 265
Hormayrs Archiv 1829, S. 329 u. 331
Gustav Friedrich Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien, Wien 1866, S. 260 (als Cesare da Sesto)
Jacob von Falke, Katalog der fürstlich Liechtensteinischen Bilder-Galerie im Gartenpalais der Rossau zu Wien, Wien 1873 , S. 9 (als Schule von Leonardo), Kat. 64
Jacob von Falke, Katalog der fürstlich Liechtensteinischen Bilder-Galerie im Gartenpalais der Rossau zu Wien, Wien 1885, S. 6 (als Schule von Leonardo), Kat. 35
W. Suida, Die Gemäldegalerie der K.K. Akademie der bildenden Künste. Die Sammlungen Liechtenstein, Czernin, Harrach und Schönborn-Buchheim, Stuttgart 1890, S. 74 (als Andrea Solario)
G. Frizzoni, Einige kritische Bemerkungen über italienische Gemälde in der fürstlich Liechtensteinischen Galerie 1912, S. 88-89, Abb. Taf. XX (als Venezianische Schule, wohl V. Catena)
Adolf Kronfeld, Führer durch die Fürstlich Liechtensteinsche Gemäldegalerie in Wien, 3. Aufl., Wien 1931, S. 13 (als Venetianische Schule, um 1520), Kat. 35
B. Berenson, Italian pictures of the Renaissance, Oxford 1932, S. 139
G. Robertson, Catena, App. 1, 1954 1954, Kat. 3 (als probably by Catena)
B. Berenson, Italian pictures of the Renaissance, Venetian School, Bd. I, Bd. Bd. I, London 1957, S. 63
F. Heinemann, Giovanni Bellini e i Belliniani, Bd. 1, Bd. Bd. 1, Venedig 1962, S. 46, Nr. 151 (als Andrea Solario), Bd. 2, Abb. 819
Ausst.-Kat. Italienische Kunst des XIV. bis XVI. Jahrhunderts. Aus den Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein, Gustav Wilhelm, Liechtensteinische Kunstsammlungen (Hg.), Engländerbau, Vaduz 1972, erschienen Vaduz 1972, S. 12-13, Kat. 7
Michaela Herrmann, Ausst.-Kat. Fünf Jahrhunderte italienische Kunst aus den Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein, Vaduz 1994, S. 32-33 u. 148, Kat. 9
Johann Kräftner, Andrea Stockhammer, Liechtenstein Museum Wien. Le Collezioni, München 2004, S. 133, Abb. S. 118, Kat. IV.14
Johann Kräftner, Andrea Stockhammer, Liechtenstein Museum Vienna. The Collections, Johann Kräftner (Hg.), München–Berlin–London–New York 2004, S. 133, Abb. S. 118, Kat. IV.14
Johann Kräftner, Andrea Stockhammer, Liechtenstein Museum Wien. Die Sammlungen, Johann Kräftner (Hg.), München–Berlin–London–New York 2004, S. 133, Abb. S. 118, Kat. IV.14