Das zentral in der Wiener Innenstadt gelegene Stadtpalais Liechtenstein in der Bankgasse entstand um 1700 und gilt als erstes bedeutendes Bauwerk des Hochbarocks in Wien. In diesem Palais, das wie auch das Gartenpalais einer sorgfältigen, mehrjährigen Restaurierung unterzogen und schliesslich im Frühjahr 2013 als zweiter Standort der Fürstlichen Sammlungen eröffnet wurde, können die hochkarätigen Werke des Biedermeier und Klassizismus in einem aufwendig gestalteten, authentischen Ambiente in allen Facetten gezeigt werden.
Mit seiner Synthese aus barocker Bausubstanz und der Originalausstattung des 19. Jahrhunderts im Stil des Zweiten Rokoko, dem frühesten und bedeutendsten Interieur dieser Stilrichtung in Wien, ist das Palais einzigartig in der Kulturlandschaft dieser Stadt. In weiten Teilen original möblierte Räume bilden zusammen mit Kunstwerken des Klassizismus und Biedermeier den Schwerpunkt einer aussergewöhnlichen Präsentation. Das Zusammenspiel von historischer Substanz, klassisch-modernen Galerieräumen und den hochkarätigen Beständen der Fürstlichen Sammlungen aus dieser Epoche lässt ein neues Spannungsfeld entstehen.
Die beiden Obergeschosse des Stadtpalais mit den Period-Rooms und den Galerieräumen werden über eine der schönsten barocken Prunkstiegen Wiens erschlossen. Im zweiten Piano nobile fügen sich barocke Stuckdecken mit üppigem Neorokoko-Interieur, der Original-Möblierung, farbenfrohen Seidenbespannungen sowie den raffinierten Parkettböden Michael Thonets zu einem harmonischen Ganzen und eröffnen Einblicke in bereits vergangene Epochen.
Die permanente Präsentation vereint Werke aller Gattungen: Neben einer erlesenen Auswahl an Gemälden spannt sich der Bogen von eleganten Möbelstücken über Porzellane asiatischen Ursprungs, die häufig in Wien montiert wurden, bis zur Wiener Produktion der Du-Paquier-Periode sowie der Ära Sorgenthal. Die Skulptur des Klassizismus ist mit Werken Canovas, Teneranis und Wiener Bildhauern, die meistens in Rom entstanden sind, vertreten.
Kandelaber
um 1700–1792
China, Japan, um 1700–1792
Montierung: Ignaz Joseph Würth (1742–1792), zugeschrieben
Büste der Prinzessin Paolina Borghese (1780–1825) aus dem Besitz ihrer Schwester Caroline Murat (1782–1839)
1804/05
Antonio Canova (1757–1822) ?
Besucher werden bei ihrem Rundgang durch die Galerie- und ehemaligen Privaträume vom Ticken und dem Stundenschlag der Uhren begleitet, das Spielwerk von David Roentgens Bodenstanduhr wurde aufwendig restauriert. Der von den sechs originalen Walzen von 1792 gesteuerte Klang lässt uns in das Musikerleben dieser Zeit eintauchen.
Die Vielfalt der präsentierten Werke, zum einen seit langem und oftmals sogar seit ihrer Entstehung im Besitz des Fürstenhauses, zum anderen innerhalb der letzten drei Jahrzehnte für die Fürstlichen Sammlungen angekauft, ermöglicht es, in diesem Palais die gesamte Spannweite der Epoche des Biedermeier zu erleben – von dessen raffinierter Einfachheit bis zum üppigen ersten Neorokoko, das auch noch in dieser Epoche im Haus Liechtenstein geboren wurde.
Die Kunst des Klassizismus und Biedermeier spielte in den Fürstlichen Sammlungen schon zur Zeit ihrer Blüte eine zentrale Rolle. Die vier Regenten des Hauses in dieser Epoche – Fürst Franz Joseph I., Fürst Alois I., Fürst Johann I. und Fürst Alois II. von Liechtenstein – konnten durch bedeutende Aufträge an Künstler dieser Zeit die Sammlungsbestände auf hohem Niveau erweitern. Wichtige Werke gelangten so in die Sammlungen, Friedrich von Amerling schuf eines der berührendsten Kinderbildnisse der Kunstgeschichte, das „Porträt der Prinzessin Marie Franziska von Liechtenstein“, der Tochter von Alois II., die im Schlaf ihre bunte Stoffpuppe fest an sich drückt.
Viele der Gemälde wurden auch als Teil der Originalausstattung des Palais in der Bankgasse beauftragt oder angekauft, das eine oder andere trägt noch immer den zur jeweiligen Raumausstattung passenden Rahmen. Das kostbarste Beispiel dafür ist der Rahmen von Friedrich von Amerlings Gemälde, das den fünfjährigen Johann Liechtenstein, den späteren Fürsten Johann II. von Liechtenstein (1840–1929), auf seinem Schimmelpony zeigt. Das Bild hängt heute wieder an genau jenem Platz über dem Kamin des Grossen Mahagonizimmers, wo es sich auch bei der Eröffnung des Hauses 1848 befunden hatte.
Dieser Raum ist nur eines von vielen Beispielen im Rahmen der permanenten Präsentation, wo sich sammlungsgeschichtlicher Hintergrund mit der Baugeschichte des Palais sowie der Familiengeschichte sinnfällig zusammenfügen. Die Galerie zeigt in einem schlüssigen Querschnitt das gesamte Spektrum der Kultur des Biedermeier, von Porträts über Genregemälde und Werke mythologischen Inhalts bis zur Landschaftsmalerei, vom einfachen Biedermeiermöbel bis zu hochkarätigen Ebenistenmöbeln sowie erlesenes Kunsthandwerk.
Das Grosse Mahagonizimmer mit dem Porträt des späteren Fürsten Johann II. auf seinem Schimmelpony
STUCKDECKE IM GROSSEN MAHAGONIZIMMER MIT BAROCKEN PARTIEN VON SANTINO BUSSI (1664–1736) UND VERÄNDERUNGEN DURCH PETER HUBERT DESVIGNES (1804–1883) IM STIL DES ZWEITEN ROKOKO
DER AUFWENDIG GESTALTETE PARKETTBODEN IM GROSSEN MAHAGONIZIMMER VON MICHAEL THONET (1796–1871)
Die permanente Präsentation im Stadtpalais Liechtenstein kann im Rahmen von Führungen besichtigt werden. *
zu den Buchungsmöglichkeiten für öffentliche und individuelle Führungen
* Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass der Betrieb der Ausstellungsräume im Gartenpalais und im Stadtpalais Liechtenstein, der Verkauf von Tickets sowie die Abhaltung von Veranstaltungen und Führungen in den beiden Palais durch die Liechtenstein Gruppe AG erfolgt. Der Vertrag über die gebuchte Führung kommt mit der Liechtenstein Gruppe AG zustande.