Crown of the Alps: Masterworks from the Collections of the Prince of Liechtenstein
Sonderausstellung in Taipeh 2015
Aus Anlass des 90-jährigen Bestehens des National Palace Museum in Taipeh zeigen die Fürstlichen Sammlungen 118 hochkarätige Werke unter dem Titel CROWN OF THE ALPS. Die Schau fokussiert auf das Thema der Feinmalerei und bietet dem Taiwanesischen Publikum die Möglichkeit, diese Werke, die zum ersten Mal in Taipeh zu sehen sind, aus nächster Nähe zu betrachten.
Mehrmals haben die Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein eine Auswahl aus ihren umfangreichen Beständen gezeigt, die jeweils unter verschiedenen Aspekten zusammengestellt worden waren. Stand das eine Mal die Welt des Biedermeier im Mittelpunkt, wurde beim nächsten Mal die Prachtentfaltung einer im Hochbarock definierten Sammlung einschliesslich Deckengemälden, Tapisserien, Kunstkammerstücken und Möbeln gezeigt. Mehrmals fokussierte die Ausstellung alleinig auf den regionalen Sammlungsschwerpunkt der Flämischen Malerei mit Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck.
Im Mittelpunkt der im Palastmuseum von Taipeh gezeigten Ausstellung liegt das Schwergewicht auf dem Thema der Raffinesse und Eleganz der Feinmalerei, eine Auswahl die sich also epochenübergreifend auf Gemälde und Grafik konzentriert. Ausgehend von den örtlichen Voraussetzungen der Ausstellungsräume beschäftigt sich diese Schau mit einer Auswahl von 118 Meisterwerken aus den Fürstlichen Sammlungen vor allem mit dem kleinen, delikaten Format, bei dem nicht der grosse schnelle Wurf im Mittelpunkt steht sondern die raffinierte malerische Ausformung. Themen wie etwa die Landschaftsmalerei, das Porträt oder das Stillleben spannen für das Publikum einen Bogen von der Renaissance bis zum Wiener Biedermeier und decken somit nahezu das gesamte Spektrum der europäischen Kunstgeschichte ab.
DER BEGRIFF DER FEINMALEREI
Der Begriff der Feinmalerei ist ein Terminus, der in der Kunstgeschichte im Besonderen für die Leidener Schule der Feinmalerei verwendet wird, einer Schule, die sich durch penibel gemalte Bravourstücke oft kleinster Formate auszeichnet, die Stillleben, Porträts und Genreszenen mit allergrösster Detailgenauigkeit wiedergibt. Um diesen hohen Grad der Detaillierung und die daraus resultierende Kunst der Sinnestäuschung im höchsten Mass erreichen zu können, bedienten sich diese Maler fast ausschliesslich des Holz- oder auch des Kupfertäfelchens als Malgrund, das ihnen eine glatte Oberfläche zur Verfügung stellte, die nicht wie die Leinwand und deren Grundierung mit ihrer Struktur das Bild der Malerei überlagerte.
Diese Malgründe begleiten die Geschichte der Malerei durch alle Epochen, Holztäfelchen gaben bei der frühen italienischen Goldgrundmalerei die Malfläche, begleiten die Geschichte der Malerei der Renaissance, wo viele der grossen Werke eines Raffael, Leonardo oder Tizian auf diesem Medium wiedergegeben worden sind. Auch in der Flämischen und in der Holländischen Malerei gaben sie die Maloberfläche ab, es gibt viele Beispiele, wo eine kostbare Erstfassung auf einer Holz- oder auch schon einer gehämmerten Kupfertafel wiedergegeben wurde, während etwaige Zweitfassungen dann auf Leinwand gemalt wurden.
Höhepunkte der Feinmalerei
Den Höhepunkt erreichte die Feinmalerei dann zweifelsohne mit der Holländischen Kunst des Goldenen Zeitalters, der Leidener Malerschule, vor allem mit Werken des Gerrit Dou (1613–1675), mit denen die Fürstlichen Sammlungen reich bestückt sind. Aber auch noch im 18. und sogar im 19. Jahrhundert schätzte man die feine Maloberfläche, auch die Wiener Biedermeiermalerei mit den grossen Meistern Ferdinand Georg Waldmüller oder Joseph Danhauser ist in der Ausstellung mit wichtigen Werken, die dieser Feinmalerei zuzuordnen sind, vertreten.
Dass durchaus auch Werke grösserer Dimensionen den hohen Ansprüchen einer sinnlichen Wiedergabe, der Wiedergabe des Reizes von Oberflächenstrukturen, der Wiedergabe von Materialqualitäten im unterschiedlichsten Licht gerecht werden können, beweisen Tafeln und Leinwände eines Peter Paul Rubens oder eines Anthonis van Dyck, die, ausgehend von der kleinen Skizze auf Holztäfelchen, ihre Monumentalmalerei entwickelten. Wenn Rubens skizziert, ist seine Vorgangsweise eine ganz andere als die der Leidener Feinmaler, aber auch hier ist es die Qualität der Holztafel, eine die Grundierung raffiniert ins Endergebnis einbindende Malweise, die den Betrachter auch diese Malerei, so skizzenhaft sie ist, in dieser Ausstellung im Kontext der Feinmalerei diskutieren lässt. Rubens behält diese in der Skizze entwickelte Malweise auch im grossen ausgeführten Werk bei und stellt sich bei allen Brüchen mit alten Traditionen in der Art der Darstellung in der Technik ganz in die Tradition der flämischen Malerei, einer Malerei, die, wie man im Vergleich mit den Gemälden der Familie Brueghel oder des Frans Pourbus (1545–1581) erkennen kann, ganz in der Tradition der Flämischen Schule steht.
RAFFINESSE UND MALERISCHE VOLLENDUNG
Nicht die grossen Namen – die mit Raffael, Cranach, Rubens, Van Dyck, um nur einige Grössen zu nennen, nichts desto trotz in grosser Anzahl in der Ausstellung vertreten sind, sondern die Raffinesse der Wiedergabe, die malerische Qualität stehen in dieser Exposition im Mittelpunkt. Der Aspekt des Dekorativen wird ganz bewusst zugunsten des Aspekts höchster malerischer Vollendung in den Hintergrund gedrängt. So wird dem Betrachter in Taipeh eine ähnliche Dichte und Intensität der Auseinandersetzung mit den gezeigten Werken abgefordert, wie er sie von den eigenen Werken der chinesischen Malerei kennt. Auch dort ist er in ähnlichem Masse in der Auseinandersetzung mit der atmosphärisch-flüchtigen Wiedergabe in der Landschafts- und Porträtmalerei wie auch dem Realismus in der Wiedergabe eines Objektes, die durch alle Epochen der chinesischen Kunst hohen Stellenwert besessen haben, extrem gefordert.
Zur Politik der Fürstlichen Sammlungen zählt es, derartige Werke verglast in Ausstellungen zu zeigen und so dem Besucher auch zu ermöglichen, diese Werke aus nächster Nähe betrachten zu können. Solche Bravourstücke waren für die intime Betrachtung im kleinräumigen Zuhause holländischer Bürgerstuben geschaffen, der Connaisseur konnte sie in die Hand nehmen und sich mit ihnen auseinandersetzen. Eine ganz andere Malerei als die, die aus der Ferne wirken sollte wie ein Altarbild oder ein Deckengemälde, das unter anderen Gesichtspunkten – auch hinsichtlich der Betrachtung – entstanden war.
Katalog: Begleitend zur Ausstellung ist ein zweisprachiger Katalog auf Englisch und Chinesisch erschienen.