Zur Baugeschichte
1687 erwarb Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein (1657–1712) ein Grundstück aus dem Besitz der Familie Auersperg in der Rossau, das er in der Folge durch Zukäufe erweiterte. Von Beginn an stand die Absicht dahinter, ein umfangreiches Bauprojekt zu realisieren, das eines der raren Zeugnisse grosszügiger Stadtplanung des Barocks in Österreich werden sollte. In Teilen ist dies heute noch im Wiener Stadtbild nachvollziehbar. Das Areal sollte nicht nur den Baugrund für die fürstliche Residenz beinhalten, sondern auch eine ideale urbanistische Gesamtplanung umfassen.
Nach der Umsetzung des Projektes umfasste diese als Liechtenthal (heute Lichtental) bezeichnete Domäne eine rasterförmig angelegte Mustersiedlung mit der Patronatskirche der Familie Liechtenstein im Zentrum. Im Norden bildete ein Brauhaus die bauliche Grenze zum Umland, im Osten erstreckten sich die zugehörigen Jagdgründe bis an die Auen der Donau. Den Kern der Anlage nahm das auch als Jagdschloss genutzte Palais mit seinem grosszügigen Ehrenhof inmitten eines weitläufigen Gartens ein. Ein Küchen- und Pomeranzenhaus mit einem hufeisenförmigen Innenhof, das Anfang des 20. Jahrhunderts abgerissen worden ist, gehörte neben ebenerdigen Stallgebäuden ebenfalls zu dem Ensemble.
In den Fürstlichen Sammlungen hat sich der früheste Entwurf für den Palaiskomplex erhalten. Das Hauptgebäude ist darin an die gleiche Stelle des Gartens wie das realisierte Palais gesetzt. Der Garten ist in der Planzeichnung ummauert und von einer Arkade umgeben. Durch die allen Fassadenseiten vorgelagerten Portici erinnert der Entwurf an Villen Andrea Palladios, folgt also deutlich oberitalienischen Vorbildern.
Der erste bekannte Architekt, der für das Projekt engagiert wurde, war Johann Bernhard Fischer von Erlach. Sein Entwurf sah vor, dass ein herrschaftliches Landschloss am anderen Ende des Gartens in einem luftigen Belvedere seine Entsprechung finden sollte, für das er verantwortlich zeichnete. Es ist anzunehmen, dass auch für das Gesamtkonzept eine Planung von Fischer vorgelegt wurde, er konnte jedoch lediglich das Belvedere als Gelenkpunkt zwischen dem Palast und der dahinter liegenden Siedlung realisieren.
Den Entwurf des Gartenpalastes selbst übertrug der Fürst dem in Bologna ausgebildeten Architekten Domenico Egidio Rossi. Dieser bot 1690 kein Lustgebäude nach Fischers bewegt-geschwungenem Vorschlag an, sondern einen monumentalen rechteckigen Palast, der dem von Johann Adam Andreas I. gutgeheissenen „Palazzo in Villa“ als würdige Residenz des Fürsten am Rande der Kaiserstadt entsprechen sollte. 1691 wurde diesem Vorschlag gemäss mit dem Bau begonnen. Der inneren Struktur Folge leistend dominierte der Mittelsaal die Aussenerscheinung. Ihm ordneten sich die Flanken mit vorgelagerten Treppen unter – eine deutliche Reminiszenz an die oberitalienischen Villen des Seicento.
In Domenico Egidio Rossis Konzept griff ab 1692 Domenico Martinelli ein, der bis zu seinem Ruf nach Wien an der renommierten Accademia di San Luca in Rom unterrichtet hatte, nach 1690 zum bevorzugten Architekten des Fürsten wurde und bereits 1691 mit dem Bau des Stadtpalais im Zentrum begonnen hatte. Die Flanken wurden von ihm gegenüber Rossis Entwurf um ein Geschoss erhöht. Im Sinne eines Palastbaus verleihen sie dem Gebäude nun eine wesentlich imposantere und stärker geschlossene Erscheinung als ursprünglich von seinem Vorgänger konzipiert. Die Dreigeschossigkeit entsprach zudem auch den Forderungen, die schon der Vater des Fürsten, Fürst Karl Eusebius I. von Liechtenstein (1611–1684), in seinem Architektur-Traktat an ein fürstliches Landschloss gestellt hatte. Im Inneren des Palais wurde eine symmetrische Raumfolge etabliert: Auf eine grosszügige Sala terrena folgen zwei repräsentative, einander gegenüberliegende Treppenhäuser, die im Piano nobile in den grossen Festsaal mit seinen umgebenden Räumlichkeiten münden.
DIE ORIGINALE AUSSTATTUNG UND DIE GARTENANLAGE
Auch für die Ausstattung bemühte sich der Bauherr, italienische Künstler zu gewinnen. Der Bologneser Maler Marcantonio Franceschini steuerte Deckengemälde für das Piano nobile und zwei Gemäldezyklen mit Darstellungen aus den „Metamorphosen“ des Ovid bei. Der Auftrag für die Freskenausstattung des Erdgeschosses ging – nach vergeblichen Versuchen, auch hierfür italienische Freskanten nach Wien kommen zu lassen – an Johann Michael Rottmayr, der zuvor schon in Salzburg und in Wien für das Kaiserhaus gearbeitet hatte. Ihm übertrug der Fürst die Freskierung der Sala terrena, der beiden im Erdgeschoss gelegenen Appartements mit je drei Räumen und schliesslich auch die Ausstattung der beiden Treppenhäuser mit monumentalen Deckenspiegeln.
Für die Dekoration des Herkulessaals im Obergeschoss konnte Andrea Pozzo gewonnen werden, der zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurückblickte. Die heute noch in ihrer Gesamtheit erhaltene Stuckausstattung des Palais stammt von Santino Bussi. Der italienisch-österreichische Bildhauer Giovanni Giuliani schuf die Skulpturen, die in den Innenräumen und im Garten Aufstellung fanden.
Zwischen dem Palais und Fischers Belvedere wurde eine barocke Gartenanlage angelegt, die allerdings bereits ab den 1770er-Jahren einem englischen Landschaftsgarten weichen musste. Die Platanen, die bis heute im Park Schatten spenden, gehen auf den alten Baumbestand zurück, der an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert angelegt wurde.
Veränderungen und Adaptierungen im späten 18. und 19. Jahrhundert und der Einzug der Galerie
Die Frontseite des Palais war ursprünglich durch Stallungen, die den Ehrenhof halbkreisförmig umfassten, vor Blicken von aussen weitestgehend verborgen. Erst nachdem im Zuge von Umgestaltungen seit den 1790er-Jahren durch die fürstlichen Architekten Joseph Hardtmuth und in der Folge durch Joseph Kornhäusel die Gebäude im Scheitel des Halbrundes abgerissen worden waren und die noch bestehende Umzäunung mit dem klassizistischen Tor als Entree zum Hof errichtet wurde, bot sich eine uneingeschränkte Sicht auf die monumentale Fassade des Gartenpalais, wie wir sie auch heute noch von der Fürstengasse aus erleben können.
Bereits mit dem Beschluss Fürst Johanns I. von Liechtenstein (1760–1836), die Sammlungen zwischen 1806 und 1810 aus dem Stadtpalais in die Rossau zu transferieren, um sie dort im Gartenpalais und dem damals noch bestehenden Belvedere Fischers von Erlach der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, gingen unter der Leitung des Architekten Hardtmuth einige Umbauten und Veränderungen der Ausstattung einher.
In den 1790er-Jahren wurde der originale Steinboden im Piano nobile mit Ausnahme des Herkulessaals durch Nussholzböden ersetzt und in den Eckräumen des Piano nobile wurden Fenster teilweise abgemauert, um die Hängefläche zu vergrössern. Die Umbauten betrafen aber auch den grossen Festsaal: Vier der fünf Türöffnungen zwischen dem Herkulessaal und der Grossen Galerie sowie alle Fensteröffnungen der Nordwand wurden ebenso geschlossen. Auf diese Weise sollte in der Galerie genügend Platz für Rubens’ monumentalen „Decius-Mus-Zyklus" geschaffen werden. Zuvor hatte sich die Fenstergliederung der Aussenwand dieses Raumes in der Mauer, die den Herkulessaal vom Galerieraum trennt, wiederholt. Dadurch war das Deckenfresko Pozzos ursprünglich von beiden Seiten beleuchtet worden. Der Saal selbst wurde mit Skulpturen von Antonio Canova und Gipsabgüssen nach antiken Statuen klassizistisch dekoriert.
Spätere Veränderungen betrafen den zweiten Stock und die Treppenhäuser, in die ein Teil von Antonio Belluccis Deckengemälden aus der Bankgasse, dort ab 1819 entfernt, übertragen und präsentiert wurde.
In den Galeriesälen wurden die Wände in Dunkelgrün gestrichen. Ein Aquarell des Fotografen Raimund Stillfried von Rathenitz aus dem Jahr 1902 und von ihm angefertigte Fotos überliefern uns den damaligen Zustand.
Um 1873 musste auch Fischers barockes Belvedere im Garten einem Neubau weichen. Mit seinen Grotten und den benachbarten Glashäusern, die vor allem durch Fürst Johann I. stetig erweitert worden waren, hatte es der Wiener Gesellschaft reichlich Möglichkeiten zum Amüsement geboten. 1873–1875 wurde unter Heinrich von Ferstel an dessen Stelle entlang der Alserbachstrasse ein langgestreckter historistischer Palastbau im Stil der Neorenaissance errichtet, der bis heute das nördliche Ende des Parks markiert.
Das Palais im 20. Jahrhundert
Im Verlauf der Nutzung des Palais gab es auch weiterhin Veränderungen: Nachdem der Herkulessaal klassizistisch dekoriert worden war, wurden diese Eingriffe in die barocke Originalsubstanz wenig später rückgängig gemacht. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts liess Fürst Johann II. von Liechtenstein (1840–1929) die klassizistische Ausstattung durch neobarocken Dekor, wie Kamine und Stuckfelder an den Wänden, ersetzen. Ebenfalls im Zuge dieser Adaptierungen wurden drei Gemälde Marcantonio Franceschinis aus dem Ovid-Zyklus an der nördlichen Längswand des Saales angebracht.
In den Jahren 1912–1914 erfolgte der Einbau der Historischen Bibliothek, die ursprünglich Teil des 1912 verkauften und im Jahr darauf abgerissenen Palais Liechtenstein in der Herrengasse gewesen war, in die ehemaligen Herrenappartements.
Einschneidende Änderungen für das Palais brachten die Ereignisse nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. 1938 fand die 130-jährige Präsentation der Fürstlichen Sammlungen im Gartenpalais Liechtenstein ein jähes Ende, als die Galerie für das Publikum gesperrt wurde. Die fürstliche Familie verlagerte 1938 ihren Wohnsitz nach Vaduz und auch die Kunstschätze wurden in den letzten Kriegswochen dorthin verbracht.
Für das Palais mussten in den Folgejahren neue Nutzungen gefunden werden. Zwischen 1957 und 1978 präsentierte hier das Österreichische Bauzentrum im Park eine Siedlung von Musterhäusern sowie für den Bau dienende Erzeugnisse und Leistungen von Industrie und Handwerk in Österreich. Auch der Herkulessaal wurde als Präsentations- und Ausstellungshalle dieser Fertigteilhäuser genutzt.
Ab dem 26. April 1979 war das fürstliche Palais, das weiterhin im Besitz der Familie verblieb, Präsentationsort des Museums des 20. Jahrhunderts, im Jahr 1991 in Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig umbenannt. Die Werke aus der Sammlung des Aachener Ehepaares Irene und Peter Ludwig blieben bis 1999 im Palais ausgestellt. Nach ihrer Übersiedelung in das MuseumsQuartier werden sie seit 2001 im mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, präsentiert.
Die Rückkehr der fürstlichen Schätze in das Gartenpalais und die Wiedereröffnung als Galeriegebäude
2000 bis 2003 erfolgte nach Planung und in der Regie des damaligen Direktors der Fürstlichen Sammlungen, Johann Kräftner (geb. 1951), die grundlegende Sanierung des Gartenpalais im Hinblick auf die geplante Bespielung mit Objekten der Fürstlichen Sammlungen. Die Eröffnung des LIECHTENSTEIN MUSEUM im März 2004 machte schliesslich einen Teil des fürstlichen Kunstbesitzes wieder in Wien für die Öffentlichkeit zugänglich und verortete das Palais erneut als kulturelles Highlight in der vielfältigen Museumslandschaft der Stadt. Damit konnte an die jahrhundertelange Tradition der Fürstlichen Sammlungen angeknüpft und der ursprüngliche Präsentationsort dieser bedeutenden Privatsammlung wieder für das Publikum geöffnet werden.
Mit Beginn des Jahres 2012 wurde der reguläre Museumsbetrieb von einem neuen Besuchsmodell abgelöst. Die Galerien des Gartenpalais Liechtenstein dienen seither weiterhin als Ausstellungsräume der Fürstlichen Sammlungen mit einem Fokus auf Kunst und Kunsthandwerk vor 1800. Die rund 180 in der permanenten Präsentation gezeigten Kunstwerke können im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Zudem ist das Palais seit 2022 während der jährlich stattfindenden Sonderausstellung im Frühjahr für die Öffentlichkeit zugänglich. Im Zuge der Sonderausstellung, die sich jährlich wechselnden Themen widmet, können ausgewählte Räumlichkeiten des Gartenpalais bei freiem Eintritt besichtigt werden. Auch tägliche Führungen durch die Sonderausstellung werden angeboten.
Informationen zu Führungsterminen, Buchungen und den Fürstlichen Palais als Veranstaltungsorte finden Sie auf der Website der Palais Liechtenstein.