Vorgänger
Hartmann II. von LiechtensteinNachfolger
Fürst Karl Eusebius I. von LiechtensteinFürst Karl I. von Liechtenstein schuf durch sein politisches Wirken die Grundlagen für den Aufstieg des Hauses Liechtenstein zu einem der führenden Adelsgeschlechter der Habsburgermonarchie. Er wurde 1608 als erstes Familienmitglied in den Fürstenstand erhoben und erwarb die schlesischen Herzogtümer Troppau (Opava) und Jägerndorf (Krnov). In seinem Kunstgeschmack orientierte er sich an Kaiser Rudolf II. und beauftragte auch wichtige Künstler des Hofes.
Karl I. wurde am 30. Juli 1569 als ältester Sohn Hartmanns II. und seiner Gattin Anna Maria vermutlich in Feldsberg (Valtice) geboren. Um 1592 heiratete er Anna Maria von Černahora und Boskowitz (um 1575–1625). Das Paar hatte fünf Kinder, darunter Karls I. Nachfolger Karl Eusebius I.
In seinem Leben traf Karl I. wiederholt die richtige Entscheidung. So gelang es ihm, seiner Familie in nur einer Generation einen spektakulären politischen, gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Aufstieg zu ermöglichen. Seine umfassende Erziehung war am Protestantismus (konkret an der Augsburger Konfession) orientiert, ganz im Sinne seines in der protestantischen Ständeopposition gegen das Haus Habsburg stark engagierten Vaters Hartmann II. Doch zu Allerheiligen 1599 trat Karl I. für seine Standesgenossen völlig überraschend zum katholischen Glauben über: In der Brünner Jesuitenkirche schwor er in Gegenwart des päpstlichen Nuntius Filippo Spinelli demonstrativ der „Ketzerei“ ab.
Aus einem Briefwechsel Karls I. mit Rudolf II. von 1597 wissen wir, dass er schon damals eine bedeutende Sammlung von „fürtrefflichen seltzamen Kunststucken und Gemälden“ besass.
Kaiser Rudolf II. berief im Jahr 1600 Karl I. in das Amt des Obersthofmeisters (das höchste Hofamt) und zum Vorsitzenden des Geheimen Rates – und damit zum faktischen Leiter der Regierungsgeschäfte – in seine Residenzstadt Prag. Aus einem Briefwechsel Karls I. mit dem Kaiser von 1597 wissen wir, dass er schon damals eine bedeutende Sammlung von „fürtrefflichen seltzamen Kunststucken und Gemälden“ besass. Einige dieser Werke scheint er an den Kaiser abgetreten zu haben.
ERHEBUNG IN DEN ERBLICHEN FÜRSTENSTAND
Im habsburgischen Bruderzwist zwischen Kaiser Rudolf II. und seinem jüngeren Bruder Erzherzog Matthias stellte sich Karl I. auf die Seite des Erzherzogs. Durch eine in enger Zusammenarbeit mit seinem Jugendfreund Karl von Žerotín betriebene Politik gelang es ihm, Matthias in der Markgrafschaft Mähren zur Herrschaft zu verhelfen. Die mährischen Stände ernannten Karl I. von Liechtenstein zum Leiter der Gesandtschaft, die Matthias am 30. August 1608 in Brünn zur Huldigung einlud. Matthias erhob ihn zum Dank für seine Verdienste und seine Treue am 20. Dezember 1608 in den erblichen Fürstenstand. Als Kaiser Matthias I. belehnte er Karl I. 1614 mit dem schlesischen Herzogtum Troppau (Opava). 1623 erhielt der Fürst von Kaiser Ferdinand II. den Lehensbrief für das ebenfalls in Schlesien befindliche Herzogtum Jägerndorf (Krnov). Die Wappen der beiden Herzogtümer sind Bestandteile des fürstlich-liechtensteinischen Familienwappens, und die Fürstinnen und Fürsten führen noch heute die entsprechenden Titel.
König Matthias erhob Karl I. von Liechtenstein zum Dank für seine Verdienste und seine Treue am 20. Dezember 1608 in den erblichen Fürstenstand.
Während des „Böhmischen-Österreichischen Ständeaufstandes“ bezog Karl I. klar Stellung für Kaiser Ferdinand II. Im Anschluss an die für die kaiserlich-katholische Partei siegreiche Schlacht am Weissen Berg bei Prag im November 1620 wurde er mit der Durchführung von Hochverratsprozessen gegen die Mitglieder und Anhänger der gestürzten ständischen „Gegenregierung“ sowie mit der Konfiskation ihrer Herrschaften und Güter betraut. Karl I. versuchte mehrmals vergeblich, sich der für ihn äusserst unangenehmen Aufgabe zu entziehen, indem er argumentierte, dass in Hochverratsprozessen bisher stets der böhmische König selbst den Vorsitz geführt habe und sich diese Praxis auch jetzt empfehle. Seine Einsprüche blieben jedoch stets erfolglos. Karls I. Prozessführung war von grosser Sorgfalt geprägt. Mehrmals empfahl er den Verzicht auf die Todesstrafe. Ferdinand II. schloss sich diesen Empfehlungen immerhin in fünf Fällen an. Durch den zu günstigen Bedingungen erfolgten Erwerb vieler dieser Ländereien konnte Karl I. auch sein eigenes Vermögen deutlich vermehren.
FÜRSTLICHES SAMMELN AM KAISERLICHEN HOF
Leider ist über den Inhalt der Sammlungen Karls I., vor allem seiner Gemäldesammlung, nur sehr wenig bekannt. Er unterhielt enge Beziehungen zu den Malern Rudolfs II. am Prager Hof. Nach Karls I. Tod verzeichnete man allein in seinem Residenzschloss in Prag 83 Bilder, darunter mehrere Werke von Hans von Aachen (1552–1615). Ausserdem ist bekannt, dass der Fürst mehrmals Tapisserien und Gemälde aus den kaiserlichen Sammlungen in Prag entlieh, um sie für sich kopieren zu lassen. Über den damaligen Bestand der kaiserlichen Sammlungen gibt das Kunstkammer-Inventar Kaiser Rudolfs II. aus dem Jahr 1607 Auskunft, ein wichtiges historisches Dokument, das sich seit Karls I. hochrangiger Funktion am Prager Hof in den Fürstlichen Sammlungen erhalten hat.
Karl I. von Liechtenstein unterhielt enge Beziehungen zu den Malern Rudolfs II. am Prager Hof.
Wesentlich grösseres Interesse brachte Karl I. allerdings kunstgewerblichen Arbeiten entgegen. Er beschäftigte renommierte Goldschmiede, Juweliere und Edelsteinschneider. Ein Inventar aus dem Jahr 1623 enthält neben umfangreichem Silbergeschirr auch eine grosse Anzahl von Gefässen aus Halbedelsteinen. Aus demselben Jahr ist eine Zahlung an Ottavio Miseroni (1567–1624) „wegen Ihre fürstl. Gnaden Truheiss“ überliefert. Die damit gemeinte Truhe mit den in vergoldetem Messing gefassten commessi di pietre dure stellt noch heute eines der Hauptwerke der Steinschneidekunst dar. Der Herzogshut und das zugehörige Schwert, die der Fürst 1623 als Insignien für seinen herzoglichen Stand für eine enorme Summe bei zwei Juwelieren in Frankfurt am Main anfertigen liess, sind hingegen verschollen und nur in einer Gouache aus dem Jahr 1756 dokumentiert. Ein „Immerwährender Kalender“ von Erasmus Habermel aus dem Besitz von Karl I. dokumentiert wiederum den Aufschwung der Wissenschaft in dieser Zeit und das grosse Interesse, das man Messinstrumenten und ihrer komplexen Technik entgegenbrachte.
MONUMENTALSKULPTUR AN DER WENDE VOM MANIERISMUS ZUM BAROCK
1607 hatte Karl I. für das Kaiserhaus Auseinandersetzungen mit dem Bildhauer Adrian de Fries (1556–1626) wegen ausstehender Besoldungen zu regeln. Es ist sicherlich kein Zufall, dass de Fries im selben Jahr die lebensgrosse Sitzfigur des „Christus im Elend“ schuf. Die mitgegossene Inschrift auf der Rückseite des Sockels vermerkt Karl I. als Auftraggeber. Wenig später folgte die ebenso monumentale Plastik des „Heiligen Sebastian“ desselben Künstlers. Die beiden Werke haben den Weltrang der Fürstlichen Sammlungen auch auf dem Gebiet der Skulptur mitbegründet.
Mit Karl I. haben wir den ersten grossen Auftraggeber und Sammler der Familie vor uns. Das wusste auch schon Kaiser Ferdinand II. zu schätzen, der nach Karls I. Tod in Prag (12. Februar 1627) feststellte, dass dieser „ein sonder Lust zu künstlichen Sachen“ gehabt habe.
Der „Christus im Elend“ und der „Heilige Sebastian“ von Adrian de Fries haben den Weltrang der Fürstlichen Sammlungen auch auf dem Gebiet der Skulptur mitbegründet.