Vorgänger
Fürst Karl I. von LiechtensteinFürst Karl Eusebius I. von Liechtenstein lebte in einer sehr schwierigen Zeit. Durch die Truppendurchzüge und Plünderungen im Zuge des Dreissigjährigen Krieges kam es zum wirtschaftlichen Niedergang der fürstlichen Herrschaften in Böhmen, Mähren und Niederösterreich. 1645 erzwang der Einfall der Schweden die Flucht Karl Eusebius’ I. und seiner Frau Johanna Beatrix von Dietrichstein-Nikolsburg nach Graz. Nach der Rückkehr widmete er sich dem Wiederaufbau des zerstörten Familienbesitzes. Karl Eusebius I. war ein leidenschaftlicher Sammler und Bauherr, mit der „Himmelfahrt Mariens“ erwarb er das erste Gemälde von Peter Paul Rubens der Fürstlichen Sammlungen.
Karl Eusebius I. wurde am 11. April 1611 als einziger Sohn von Karl I. und seiner Gattin Anna Maria geboren. Im September 1644 heiratete er Gräfin Johanna Beatrix von Dietrichstein-Nikolsburg (um 1625–1676). Das Paar hatte elf Kinder, darunter Karl Eusebius’ I. Nachfolger Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein. Karl Eusebius I. starb am 5. Februar 1684 in Schwarzkosteletz (Kostelec nad Černými lesy) bei Prag.
Werte für Generationen
Beim Tode seines Vaters im Jahr 1627 noch minderjährig, unternahm Karl Eusebius I. im Alter von 18 Jahren (1628/29) seine Kavaliersreise, die für junge Hochadelige in der Barockzeit übliche Bildungsreise. Diese führte ihn durch deutsche Fürstentümer in die Spanischen Niederlande und nach Frankreich. Mehr als ein Jahr hielt er sich in Brüssel auf und studierte dort Jura.
Nach Beendigung der von seinem Onkel Maximilian geführten vormundschaftlichen Regierung trat Karl Eusebius I. 1632 sein Erbe an. Neben den Problemen des Alltags bestimmten zwei grosse Vorlieben das Leben des Fürsten: die Pferdezucht und die Kunst, im Besonderen die Baukunst. Diese Interessen fanden auch in seinen drei als Manuskript überlieferten Traktaten ihren Niederschlag, dem sogenannten „Werk von der Architektur“, einer umfangreichen Instruktion „für seinen Sohn“ über alle Aspekte des adeligen Lebens, Regierens, Verwaltens und Wirtschaftens und einer Instruktion für die Führung seines Gestüts.
Die Traktate waren nicht nur ein Vermächtnis an seinen Nachfolger, den späteren Fürsten Johann Adam Andreas I., sondern auch an alle späteren Generationen. Sie enthielten Richtlinien für die Pflege, Bewahrung und Weitergabe zentraler Werte der Familie. Darunter fielen sowohl die materiellen, im Sinne des Aufbaus und der Bewahrung des Vermögens, als auch die ideellen Werte, im Sinne der Pflege der adeligen Lebenskultur und nicht zuletzt auch der Kunstsammlung sowie der architektonischen Schätze der Familie.
Karl Eusebius’ I. Traktate waren nicht nur ein Vermächtnis an seinen Sohn, den späteren Fürsten Johann Adam Andreas I., sondern auch an alle nachfolgenden Generationen.
Immer wieder betont Karl Eusebius I., „ein Fürst muss curios sein“, also – vom lateinischen „cura“ abgeleitet – besorgt und umsichtig. Es sind damit aber auch die Neugierde und Wissbegierde gemeint, die neben der Behutsamkeit im Umgang mit dem Erworbenen notwendig sind, um eine Sammlung zu mehren und zu erweitern.
Kunstvolle Bauwerke
Karl Eusebius I. verweist in seinem „Werk von der Architektur“ auch auf die Verpflichtung, mit dem erworbenen Reichtum „schene Monumenta […] zu ebigen und unsterblichen Gedechtnus“ zu schaffen, denn nur schöne Bauwerke würden dem Namen des Erbauers Unsterblichkeit verleihen.
Mit der Pfarrkirche in Feldsberg (Valtice) setzte er gleich zu Beginn ein eindrucksvolles Zeichen. 1631 wurde der Grundstein für deren Neubau gelegt, mit dessen Planung Giovanni Battista Carlone (1580/90–1645) und Giovanni Giacomo Tencalla (1593–1653) in Verbindung gebracht werden. Die Interessen des Fürsten als Bauherr und als Sammler treffen sich darin, dass er für den Hochaltar der Pfarrkirche „Die Himmelfahrt Mariens“ von Peter Paul Rubens erwerben konnte. Dieses Bild, zwischen 1635 und 1637 für eine Kirche in Antwerpen gemalt, wurde 1643 kopiert, als es sich bereits in fürstlichem Besitz befand. Das Gemälde bietet einen Beleg dafür, wie gross schon damals das Interesse an Werken von Rubens gewesen sein muss. Heute hängt es im Gartenpalais Liechtenstein, nachdem 1764 der damalige Direktor der Sammlungen, Vincenzio Fanti (1719–1776), selbst Maler, für die Pfarrkirche eine Kopie geschaffen hatte.
Ein schönes Bauwerk verleihe dem Namen des Erbauers Unsterblichkeit, postuliert Karl Eusebius I. in seinem „Werk von der Architektur“.
Der Wunsch, die Notwendigkeit des Wirtschaftens mit der Leidenschaft für Architektur und Kunst zu vereinen, kam in weiteren Bauten zum Ausdruck. In der Dobrau bei Mährisch Aussee (Úsov) liess Karl Eusebius I. in den Jahren 1633 bis 1641 einen Gestüthof errichten, in Eisgrub (Lednice) einen grossen Meierhof mit skulpturalem Schmuck. Dieses Streben manifestierte sich auch in seiner ständigen Beschäftigung mit dem Eisgruber Garten. Ab 1635 wurden dort mehr als 15 Springbrunnen aufgestellt und parallel dazu grosse Mengen an exotischen Pflanzen angekauft. Die Errichtung von Orangerien erfolgte 1642, ein neues Pomeranzenhaus kam 1656 dazu.
SCHÄTZE AUS ALLEN KUNSTGATTUNGEN
Karl Eusebius I. war der erste in seiner Familie, der systematisch den Kunsthandel nutzte, um Gemälde und Skulpturen in die Sammlung aufzunehmen. Unter ihm begann die Beziehung zur Antwerpener Kunsthändlerfamilie Forchondt, die am Wiener Judenplatz eine Dependance hatte. Als ersten Ankauf im Zuge einer langen Geschäftsbeziehung erstand er dort die „Rauchenden Bauern in einer Stube“ von Adriaen van Ostade (1610–1685). Den „Bauerntanz in einer Scheune“ von van Ostade konnte Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein 2007 zurück erwerben, nachdem das Gemälde von Fürst Johann II.im 19. Jahrhundert aus den Sammlungen verkauft worden war.
Weiters kaufte Karl Eusebius I. für die Sammlungen Stücke wie das „Porträt eines jungen Mannes“ eines französischen Meisters, das Giulio Romano (1499–1546) zugeschriebene Gemälde „Der heilige Johannes in der Wüste“ oder Jan de Cocks (1480–1527) „Die heiligen Einsiedler Antonius und Paulus in der Wüste“, zuvor lange im Besitz von Peter Paul Rubens.
Karl Eusebius I. war der erste in seiner Familie, der systematisch den Kunsthandel nutzte, um Gemälde und Skulpturen in die Sammlung aufzunehmen.
Grosses Interesse brachte Karl Eusebius I. den Skulpturen entgegen. Er erwarb unter anderen François Duquesnoys’ (1597–1643) „Apollo und Cupido“ sowie dessen „Merkur“ und darüber hinaus Giovanni Francesco Susinis (1585–1653) nach einem Entwurf Giambolognas (1529–1608) gegossenen Löwen, der ein Pferd angreift.
Genau überliefert ist schliesslich der Auftrag an Dionysio Miseroni (1607–1661) für den grossen „Maienkrug“, geschnitten aus einem Topas von 35 Pfund Gewicht, den der Fürst 1638 für 1.200 Gulden gekauft hatte. Offensichtlich setzte sich bei ihm das Interesse seines Vaters für Pietre dure nahtlos fort. 1635 erwarb er während eines Aufenthalts in Florenz bei Giuliano di Piero Pandolfini (um 1590–1637) eine grosse Tischplatte, eines der bedeutendsten Werke der grossherzoglichen Pietra-dura-Werkstätten in Florenz aus dieser Zeit. In ihre Mitte liess er sein Wappen einarbeiten.