Nachfolger
Fürst Franz Josef I. von LiechtensteinFürst Joseph Wenzel I. von Liechtenstein war einer der fähigsten Diplomaten, Heerführer und militärischen Reformer seiner Zeit. Seine Reorganisation der österreichischen Artillerie machte diese zum schlagkräftigsten Instrument des kaiserlichen Heeres, im Auftrag des Kaiserhauses betreute er wichtige diplomatische Missionen. Für die Fürstlichen Sammlungen ist er mit der Beauftragung des ersten gedruckten Kataloges sowie zahlreichen Aufträgen und Ankäufen von zentraler Bedeutung.
Joseph Wenzel I. wurde am 9. August 1696 als ältestes Kind von Philipp Erasmus (1664–1704) und Christina Theresia von Liechtenstein (1665–1730) in Prag geboren. Seit dem 1. Mai 1718 war er mit seiner Cousine Maria Anna von Liechtenstein (1699–1753), einer Tochter Fürst Anton Florians I. (1656–1721), verheiratet. Das Paar hatte nur einen Sohn, Philipp Anton, der bereits im frühen Kindesalter 1723 starb. Joseph Wenzel I. starb am 10. Februar 1772 in Wien.
MILITÄR, DIPLOMAT, KUNSTKENNER
Joseph Wenzel I. kann als Paradebeispiel eines umfassend gebildeten und politisch begabten Fürsten angesehen werden. Besonderes Talent bewies er als Heerführer und als militärischer Organisator: Einen bleibenden Platz in der österreichischen Militärgeschichte sicherte er sich durch die effiziente technische und personelle Reorganisation der Artillerie, die er zum schlagkräftigsten Instrument des kaiserlichen Heeres ausbaute. Joseph Wenzel I. hatte im Jahr 1742 in der Schlacht bei Chotusitz (Chotusice) die Überlegenheit der preussischen Artillerie direkt erfahren.
Der Fürst drängte nun vehement auf Reformen in diesem Bereich. Erzherzogin Maria Theresia von Österreich billigte die Ansichten des Fürsten und übertrug ihm im Juni 1744 das Generaldirektorium über die Land-, Feld- und Hausartillerie neben dem Direktorium des Salpeter- und Pulverwesens. In dieser Funktion, die er bis zu seinem Tod fast 30 Jahre lang ausübte, gelang es ihm zum Teil auf eigene Kosten, die technisch anspruchsvollste Waffengattung der Zeit zu modernisieren. Die Artillerie trug nicht nur zu den grossen Siegen über die Preussen bei Kolin (Kolín, 1757) und Hochkirch (1758) bei, sondern galt sogar noch dem gelernten Artilleristen Napoleon Bonaparte als vorbildlich.
Halbe Karthaune (Kanone) auf Wall-Lafette
1750
Giuseppe Solonati (ab 1744 Inspector des Gusswesens im Wiener Gusshaus)
Beim Kaiserhaus genoss Joseph Wenzel I. hohes Ansehen als Diplomat und Kunstkenner.
Am 12. Mai 1745 ernannte Maria Theresia Joseph Wenzel I. unter ausdrücklichem Hinweis auf seine vielen Verdienste für das Kaiserhaus und auf das grosse Vertrauen, das sie persönlich in ihn setze, zum Feldmarschall, dem höchsten Generalsrang in der (damaligen) kaiserlichen Armee.
Beim Kaiserhaus – vor allem bei Maria Theresia – genoss er aber auch hohes Ansehen als Diplomat und Kunstkenner. Er erwarb nicht nur in der Kunstwelt bereits bekannte und geschätzte Werke für die Sammlungen, sondern erteilte auch Aufträge an zeitgenössische Künstler bzw. erwarb Werke von ihnen.
KUNST UND REPRÄSENTATION
„Er ist einer von den Menschen, deren man nicht mehr findet.“ (Maria Theresia über Joseph Wenzel I.)
Der Fürst wusste seine unterschiedlichen Missionen mit seinen künstlerischen Interessen fruchtbar zu verbinden. Bei seinem langen Neapel-Aufenthalt, anlässlich des Heiligen Jahres 1725, beauftragte er bei Francesco Solimena (1657–1747) ein Porträt, das ihn in jungen Jahren darstellt. Während seiner diplomatischen Mission in Paris orderte er bei Hyacinthe Rigaud (1659–1743) zwei weitere Porträts, die ihn im Ornat des ihm damals gerade verliehenen Ordens vom Goldenen Vlies zeigen.
In Paris entstanden in seinem Auftrag mehrere Prunkkarossen, darunter der heute in der Sala terrena des Gartenpalais Liechtenstein stehende Goldene Wagen. Mit ihm zelebrierte er seinen bewunderten Einzug in das Pariser Stadtschloss sowie einen zweiten in Versailles. Dieser Goldene Wagen wurde später zwei weitere Male eingesetzt: Zum einen betraute Maria Theresia den Fürsten 1760 als Zeichen grösster Wertschätzung mit der Aufgabe, die Braut Erzherzog Josephs, Prinzessin Isabella von Parma, aus Italien nach Wien zu eskortieren. Hierfür wurde der Goldene Wagen über die Alpen transportiert, allein um in Parma eingesetzt zu werden. Auf der Rückfahrt wurde ebenso verfahren, und die Prinzessin hielt ihren Einzug in Wien im Goldenen Wagen. Zum anderen trat Joseph Wenzel I. 1764 mit dem Goldenen Wagen ein letztes Mal als offizieller Vertreter des Kaisers bei der Kaiserwahl und Krönung Josephs II. in Frankfurt am Main auf und erhielt daraufhin das Grosskreuz des Königlich-Ungarischen Sankt-Stephans-Ordens.
Porträt des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies (1696–1772)
1740
Hyacinthe Rigaud (1659–1743)
Der Goldene Wagen des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein
1738
François Boucher (1703–1770)
Nicolas Pineau (1684–1754)
Der Einzug des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein (1696–1772) in Parma am 3. September 1760
nach 1761
Italien, nach 1761
Nach dem Tod Joseph Wenzels I. (10. Februar 1772) sagte Maria Theresia über ihn: „Er ist einer von den Menschen, deren man nicht mehr findet.“ Kondolenzbriefe und eine Medaille, auf der der Fürst als Erneuerer der Artillerie gewürdigt wird, zeigen die grosse Hochachtung der Herrscherin.
AUFTRÄGE AN ZEITGENÖSSISCHE MALER
In Paris kaufte Joseph Wenzel I. drei Stillleben von Jean Siméon Chardin (1699–1779) und bestellte nach seiner Rückkehr ein viertes beim Künstler. Die beiden Herkules-Darstellungen von Pompeo Girolamo Batoni (1708–1787) erwarb er wahrscheinlich direkt beim Maler in Rom. Im Atelier Canalettos (Giovanni Antonio Canal, 1697–1768) in Venedig erstand er mehrere Ansichten der Lagunenstadt, sowohl in kleinen als auch in monumentalen Formaten. 2007 konnte eine dieser Zimelien für die Sammlungen zurückgekauft werden, die man in den wirtschaftlich schwierigen 1950er-Jahren hatte verkaufen müssen. 1759/60 liess Joseph Wenzel I. von Bernardo Bellotto (1721–1780) das Gartenpalais in der Rossau malen. Eine der Veduten zeigt uns zum letzten Mal den barocken Park mit seinem von Giovanni Giuliani (1664–1744) geschaffenen Skulpturenschatz.
1773 begann Joseph Wenzels I. Nachfolger Fürst Franz Josef I., den barocken Garten in einen englischen Landschaftsgarten umzuwandeln. Die Steinfiguren wurden bis auf wenige Ausnahmen verkauft.
Eine der Veduten Bernardo Bellottos zeigt uns zum letzten Mal den barocken Park mit seinem von Giovanni Giuliani geschaffenen Skulpturenschatz.
Der Direktor der Sammlungen, Vincenzio Fanti (1719–1776), erstellte im Auftrag des Fürsten den ersten gedruckten Katalog der Majoratsgalerie, der 1767 erschien. Er beinhaltet 501 Bilder und 186 Skulpturen. Zwölf der Bilder sind als Neuerwerbungen Joseph Wenzels I. bezeichnet, den Rest seiner Ankäufe dürfte er in der eigenen Galerie in der Herrengasse untergebracht haben.
Ansicht der Mündung des Canale di Cannaregio in den Canal Grande mit dem Palazzo Labia, dem Campanile von S. Geremia und der Ponte delle Guglie
1734/42
Giovanni Antonio Canal, gen. Canaletto (1697–1768)
Das Gartenpalais Liechtenstein in Wien vom Belvedere
1759/60
Bernardo Bellotto (1722–1780)
Descrizzione completa di tutto ciò che ritrovasi nella galleria di pittura e scultura di Sua Altezza Giuseppe Wenceslao del S. R. I. Principe Regnante della Casa di Lichtenstein ...
Wien 1767
Vincenzio Fanti (1719–1776)
Stecher: Jakob Matthias Schmutzer (1733–1811)
Verleger: Johann Thomas Trattner (1719–1798)
MONUMENTALE SKULPTUREN ÖSTERREICHISCHER BILDHAUER
Eine enge Beziehung verband Joseph Wenzel I. mit dem Bildhauer Franz Xaver Messerschmidt (1736–1783). Von ihm stammen monumentale Werke wie die Brunnenfigur „Eliseus mehrt das Öl der Witwe“ und die „Maria Immaculata“ des Savoyen‘schen Damenstiftes, einer wohltätigen Institution für adelige Damen, die von Prinzessin Maria Theresia von Savoyen-Carignan, einer Tochter von Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein, gegründet worden war. Messerschmidt schuf auch Joseph Wenzels I. intimes Altersporträt, das kurz nach 1770 entstanden sein dürfte. Dieses Porträt steht an der Schwelle zu den berühmten Charakterköpfen des Pressburger Meisters, mit denen dieser seine Bildhauerlaufbahn krönte.
Eine enge Beziehung verband Joseph Wenzel I. mit dem Bildhauer Franz Xaver Messerschmidt.
Zuvor hatte Joseph Wenzel I. bei Jakob Gabriel Müller, genannt Mollinarolo (1717–1780), einem Nachfolger des Georg Raphael Donner (1693–1741) in Wien, zwei lebensgrosse Brückenskulpturen für sein Schloss in Ebergassing in Niederösterreich beauftragt. „Apollo mit dem Bildnismedaillon des Thronfolgers Erzherzog Joseph“ und „Minerva mit dem Bildnismedaillon Maria Theresias und Franz Stephans von Lothringen“ stellen in ihrer Eleganz und der im Blei-Zinnguss perfekt wiedergegebenen weichen Modulierung den Inbegriff des österreichischen Rokoko dar.
Minerva mit dem Bildnismedaillon Maria Theresias und Franz Stephans von Lothringen
um 1764
Jakob Gabriel Müller, gen. Mollinarolo (1721–1780)
Apollo mit dem Bildnismedaillon des Thronfolgers Erzherzog Joseph
um 1764
Jakob Gabriel Müller, gen. Mollinarolo (1721–1780)
Büste des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein (1696–1772)
1773/74
Franz Xaver Messerschmidt (1736–1783)
VIELFÄLTIGE INTERESSEN
Joseph Wenzel I. trug vor allem in Paris eine grosse Menge kostbarer Bücher und Handschriften zusammen.
Joseph Wenzels I. Interesse reichte aber über die bisher geschilderten Gebiete weit hinaus. So trug er vor allem in Paris eine grosse Menge kostbarer Bücher und Handschriften zusammen, die aufgrund ihrer extravaganten Bindungen bis heute aus dem Bestand der Bibliothek hervorstechen.
Ein anderes Gebiet seiner Tätigkeit betraf den Erwerb antiker Bildwerke. Mit dem „Betenden Knaben“ erwarb er eines der kostbarsten griechischen Bronzeoriginale. Die Statue war 1503 in Rhodos gefunden worden und gelangte von dort nach Venedig. 1717 kam sie als Geschenk in den Besitz des Prinzen Eugen von Savoyen. Von dessen Alleinerbin Anna Victoria fand sie über einen venezianischen Händler um 1736 ihren Weg in den Besitz Joseph Wenzels I. Er verkaufte die Bronze 1747 für 5.000 Taler an König Friedrich II. von Preussen, der sie zuerst auf der Terrasse des Schlosses Sanssouci in Potsdam präsentierte. Zum Zeitpunkt des Verkaufs wurde eine Kopie in Gips angefertigt, die sich noch in den Fürstlichen Sammlungen befindet. Das Original wiederum stellt heute noch eines der bedeutendsten Stücke in der Staatlichen Antikensammlung zu Berlin dar.
Katalog der fürstlich-liechtensteinischen Bibliothek (Band 1, Teil 1)
um 1770
Autor: Abbé Wasseige (von 1760 bis 1772 tätig als fürstlich–liechtensteinischer Bibliothekar)
Supralibros des Fürsten Joseph Wenzel II. von Liechtenstein
Theatrum instrumentorum et machinarum ...
Lyon 1578
Autor: Jaques Besson (1540–1573)
Stecher: Jaques Androuet du Cerceau der Ältere (tätig zwischen 1540 und 1585)
Stecher: René Boyvin (tätig zwischen 1540 und 1580)
Verleger: B. Vincentius
OBJEKTE DER FÜRSTLICHEN SAMMLUNGEN erworben durch