Fürst Johann II. von Liechtenstein
1840–1929

Hermann Clemens Kosel (1867–1945), Porträt des Fürsten Johann II. von und zu Liechtenstein, 1928

Vorgänger
Fürst Alois II. von Liechtenstein
Nachfolger
Fürst Franz I. von LiechtensteinFürst Johann II. von Liechtenstein genoss zeitlebens den Ruf eines hervorragenden Kunstkenners und Mäzens. Er veranlasste die Neuordnung der Gemäldegalerie und erweiterte sie durch umfangreiche Ankäufe. Daneben unterstützte der Fürst zahlreiche Museen in Wien, Böhmen und Mähren durch Schenkungen aus seinem Kunstbesitz und finanzierte archäologische Forschungen sowie wissenschaftliche Publikationen.
Johann II. wurde am 5. Oktober 1840 als ältester Sohn von Fürst Alois II. und seiner Gattin Franziska in Eisgrub (Lednice) geboren. Er blieb zeitlebens unverheiratet. Seine Regentschaft zog sich weit in das 20. Jahrhundert hinein, am 11. Februar 1929 verstarb er in Schloss Feldsberg (Valtice).
Durch seinen Vater wurde Johann II. in ein familiäres Umfeld hineingeboren, das von einer intensiven Auseinandersetzung mit Kunst geprägt war. Er erwies sich als einer der wichtigsten Käufer von Kunst und einer der grössten Mäzene der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Fürst kaufte auch mittelalterliche Burgen und Ruinen, die er restaurieren und teilweise historisierend wiedererrichten liess. Die Stammburg der Familie Liechtenstein in Maria Enzersdorf südlich von Wien und das Schloss in Vaduz, die sich bereits in Familienbesitz befanden, sind so als „Schauburgen“ wiedererstanden.
MODERNISIERUNG DER SAMMLUNGSVERWALTUNG
Johann II. war der erste Fürst im Haus Liechtenstein, der sich mit seiner Galerie im modernen Sinne auseinandersetzte, sie mehrmals umhängte, neu gestaltete und vor allem durch seine Ankäufe – wie auch durch seine Schenkungen – immer wieder für Bewegung sorgte. Er bediente sich für diese Aufgaben wichtiger Berater.
Die Unterbringung der umfangreichen und stetig wachsenden Sammlung war zum Zeitpunkt des Regierungsantrittes Johanns II. nicht ideal, da sie in den beiden Stockwerken des Gartenpalais kaum sachgerecht untergebracht werden konnte. Mehrere Fachleute befassten sich mit den Problemen der Aufstellung. Als erster Schritt zur Neuordnung der Sammlung nach damals modernen musealen Prinzipien ist die Erstellung des Galeriekataloges von Jacob von Falke (1825–1897) im Jahr 1873 anzusehen. Nachdem weniger bedeutende Gemälde bereits in den 1860er-Jahren aus der Galerie entfernt worden waren, konnte sich Falke auf die Neuaufstellung der Sammlung konzentrieren, wobei Johann II. in den gesamten Prozess der Neugruppierung eingebunden war. 1885 gab Falke eine zweite Ausgabe des Galeriekataloges heraus, in welchem die in der Zwischenzeit erfolgten Veränderungen sichtbar werden. Dank des Verkaufs Hunderter Werke (die Galerie enthielt nun nur mehr 839 Bilder, im Jahr 1873 waren es noch 1.451 gewesen) konnten die verbliebenen wesentlich besser präsentiert werden. Die einzelnen Säle wurden nach Kunstschulen organisiert und mit Nummern versehen.
„Immer und immer wieder erschien der Fürst in der Galerie, an der er mit inniger Verbundenheit hing.“ (Eduard Reichel über Johann II.)
Damals scheint das grosse Interesse Johanns II. für das Kunstgewerbe eingesetzt zu haben: Er liess immer öfter neu, meist beim bedeutenden Florentiner Kunsthändler Stefano Bardini (1836–1922) erworbene Erzeugnisse des Kunsthandwerks ausstellen. Ein Verzeichnis aus dem Jahr 1923 nennt diese Neuerwerbungen, unter anderem zahlreiche Möbel und Majoliken. Diese wurden grossteils gleich im ersten Saal des ersten Stockwerks gemeinsam mit den Skulpturen ausgestellt, gefolgt von Werken italienischer und niederländischer Maler in den anschliessenden Sälen. Den persönlichen Einsatz des Fürsten beschrieb Eduard Reichel in seiner im Jahr 1932 erschienenen Biografie auf sehr treffliche Weise: „Neuerwerbungen zusammen mit dem alten Bestand an Gemälden, Skulpturen und kunstgewerblichen Gegenständen wurden nun nach dem erlesenen Geschmack des Fürsten neu gruppiert, gestellt und gehängt. Immer und immer wieder erschien der Fürst in der Galerie, an der er mit inniger Verbundenheit hing und erteilte Weisungen, traf Abänderungen, bis die Art der Aufmachung seinem künstlerischen Empfinden, seinen hohen Ansprüchen genügte“.
Obwohl der Fürst stets bestrebt war, sein Kunstwissen durch die Lektüre von Standardwerken wie des berühmten „Cicerone“ von Jacob Burckhardt zu vertiefen und sich bei Ankäufen auf sein eigenes Urteil zu verlassen, legte er dennoch auch grossen Wert darauf, sich von kompetenten Persönlichkeiten der Kunstwelt beraten zu lassen. Am nächsten stand ihm der bedeutende Berliner Kunstexperte und Museumsfachmann Wilhelm von Bode (1845–1929). Dies kommt in der umfangreichen Korrespondenz, die Bode zwischen 1880 und 1925 mit dem Fürsten und seinen Galerieverwaltern führte, deutlich zum Ausdruck. Bode beriet den Fürsten bei Ankäufen von Kunstwerken und war Impulsgeber für eine weitere Neuaufstellung der Galerie, die auch in der heutigen, auf seinen Ideen basierenden Aufstellung im Sinne eines Gesamtkunstwerks mit einer Mischung aus Gemälden, Skulpturen, Möbeln und Tapisserien noch immer jene noble Atmosphäre einer Familiensammlung ausstrahlt, die sie von anderen Museen unterscheidet. 1896 legte Bode ein prächtig illustriertes Werk vor, in dem er einen Überblick über die wichtigsten bis dahin erworbenen Gemälde der Sammlungen gab und diese einer kunstkritischen Betrachtung unterzog.
Die Gestalt der Liechtenstein-Galerie wurde letztlich wie die jeder anderen Privatsammlung stark vom persönlichen Geschmack ihres Eigentümers geprägt. Dennoch setzte Johann II. seine persönlichen Vorlieben nur so weit um, als es die (nicht zuletzt) durch das beratende Wirken Bodes angestrebte Weiterentwicklung der Galerie zu einer kunsthistorisch umfassenden und abgerundeten Sammlung zuliess. Diese Leitidee der fürstlichen Sammlungspolitik findet sich in einer Notiz in den Akten der fürstlichen Hofkanzlei in knapp zusammengefasster Form: „doch sollte in der Galerie keine Richtung und Art von Bedeutung unvertreten bleiben“.








Fürstlich Liechtenstein'sche Gemäldegalerie (Historische Galeriefotos, Rubenssaal von Westen)
1901
Raimund Stillfried von Rathenitz (1839–1911)
Fürstlich Liechtenstein'sche Gemäldegalerie (Historische Galeriefotos, Wandaufnahme)
1901
Raimund Stillfried von Rathenitz (1839–1911)
Katalog der Fürstlich Liechtensteinischen Bilder-Galerie im Gartenpalais der Rossau zu Wien
1873
Jacob von Falke (1825–1897)
Die Fürstlich Liechtenstein'sche Galerie in Wien
Wien, 1896
Autor: Wilhelm von Bode (1845–1929)
Verlag: Gesellschaft für vervielfältigende Kunst
Cassone mit dem Wappen des Ospedale Santa Maria della Scala in Siena
Ende 14. Jh.
Siena, Ende 14. Jh.
Apothekertopf mit zwei Henkeln (Orciuolo)
1420/30
Werkstatt des Giunta di Tugio (tätig 1419–1450) ?
UMFANGREICHE SCHENKUNGEN
Der Fürst erwarb Tausende Objekte, die er in die Fürstlichen Sammlungen integrierte, mit denen er Burgen und Schlösser ausstattete oder die er an andere Museen und Galerien weiterreichte. So kamen Kunstwerke in Wiener Institutionen sowie in Sammlungen in Böhmen und Mähren, aber auch in Sammlungen anderer Kronländer. Er beschenkte das Rudolfinum in Prag, das Mährische Gewerbemuseum (heute Kunstgewerbemuseum) in Brünn und das Schlesische Landesmuseum in Troppau (Opava), wo er auch den Baugrund zur Verfügung stellte und einen grossen Teil der Baukosten trug.
Die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste verdankt Johann II. ihren bedeutenden Bestand an früher italienischer Malerei, wobei das Spektrum von Giovanni di Paolos (um 1403–1482) „Ein Wunder des heiligen Nikolaus von Tolentino“ bis zu Botticellis (1445–1510) „Madonna mit Kind und Engeln“ reicht.
Auch das Historische Museum der Stadt Wien, das sich damals in seiner Gründungsphase befand, profitierte massgeblich von der Freigiebigkeit des Fürsten durch mehrere Schenkungen von Biedermeier-Gemälden. Darunter befanden sich Zimelien von Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865), Genrebilder und Porträts, die heute den Grundstock der Gemäldesammlung des Wien Museums bilden.
Der Fürst erwarb Tausende Objekte, die er in die Fürstlichen Sammlungen integrierte, mit denen er Burgen und Schlösser ausstattete oder die er an andere Museen und Galerien weiterreichte.
In gleicher Weise bedachte der Fürst die Österreichische Staatsgalerie, heute Belvedere, die ebenfalls vorwiegend Gemälde des Biedermeier aus den Fürstlichen Sammlungen erhielt. Für das Kunsthistorische Museum in Wien bezahlte er den Transport des lykischen Monuments von Gölbasi-Trysa nach Wien. In Südtirol kaufte er Schloss Velthurns, liess es restaurieren, dekorierte es mit frühem gotischem Mobiliar und schenkte den ganzen Komplex dem Museum in Bozen.
Ein besonderer Fokus des Fürsten in Bezug auf sein Engagement lag im Allgemeinen auf Italien. Am 11. Oktober 1902 erteilte Johann II. der fürstlichen Hauptkassa den Auftrag, den Betrag von 3.000 Lire „sofort“ an den Stadtrat von Venedig anzuweisen. Der Fürst wollte damit einen Beitrag zum Wiederaufbau des am 14. Juli dieses Jahres eingestürzten Campanile leisten, nachdem sich schon Tage vorher grosse Risse im Mauerwerk gebildet hatten. Das Unglück hatte Bestürzung und Trauer in der ganzen Welt hervorgerufen.
BEWEGUNG IN DEN SAMMLUNGSBESTÄNDEN
In die fürstliche Galerie liess Johann II. seinen persönlichen Geschmack einfliessen. Er trennte sich von vielen Bildern, weil sie ihm nicht gefielen, zum Teil wurden sie in bedeutenden Auktionen verkauft. Auf diese Weise verliessen auch Hauptwerke von Peter Paul Rubens, wie etwa 1880 „Samson und Delilah“ oder noch 1921 der „Bethlehemitische Kindermord“, die Sammlungen.
Andererseits bereicherte der Fürst die Sammlungen mit grossartigen Zukäufen. Mit den wichtigsten Kunsthändlern stand er entweder selbst oder durch seinen Berater Wilhelm von Bode in intensiver Verbindung.
Einer seiner Hauptlieferanten war Stefano Bardini in Florenz, der Fotos von Wänden seiner Galerie mit Bildern und Skulpturen nach Wien schickte. Mit blauer Tinte kreuzte der Fürst an, was er in Wien haben wollte, und das Foto wurde als Bestellung nach Florenz geschickt. Schon wenig später trafen die Objekte in Wien ein und wurden in ein Inventarbuch eingetragen, in dem der Fürst abermals mit blauer Tinte den Bestimmungsort der Werke in seinem Herrschaftsbereich oder die Sammlung, der sie geschenkt werden sollten, festhielt.
In die fürstliche Galerie liess Johann II. seinen persönlichen Geschmack einfliessen. Er trennte sich von vielen Bildern, weil sie ihm nicht gefielen, andererseits bereicherte er die Sammlungen mit grossartigen Zukäufen.
Heute noch geachtete Hauptwerke kamen so in die Fürstlichen Sammlungen, frühe Tafelbilder wie Quentin Massys’ (1466–1530) „Porträt eines Chorherrn“ sowie Franciabigios (1484–1525) „Porträt eines Mannes“, Peter Paul Rubens’ „Der Teich am Wald“, viele holländische Landschaftsbilder und schliesslich auch Gemälde des Biedermeier, für die der Fürst eine besondere Vorliebe hatte.








Maria mit dem Kind und zwei Engeln
um 1420
Piero di Giovanni, gen. Lorenzo Monaco (1391–1423)
OBJEKTE DER FÜRSTLICHEN SAMMLUNGEN erworben durch