Fürst Franz Josef II. von und zu Liechtenstein
1906–1989

Walter Wachter (1925–2020), Fürst Franz Josef II. von und zu Liechtenstein (1906–1989)

Vorgänger
Fürst Franz I. von Liechtenstein
Nachfolger
Fürst Hans-Adam II. von und zu LiechtensteinFürst Franz Josef II. von und zu Liechtenstein übernahm 1938 die Regierung und nahm als erster Landesfürst seinen Wohnsitz in Vaduz. 1945 wurden alle in der Tschechoslowakei befindlichen Güter des Fürstenhauses entschädigungslos enteignet. Die umfangreiche Kunstsammlung konnte in ihrem Kernbestand in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs nach Vaduz übersiedelt werden.
Franz Josef II. wurde am 16. August 1906 als ältester Sohn von Prinz Alois von Liechtenstein (1869–1955), der aus der Sekundogenitur „auf Hollenegg“ stammte, und seiner Gattin Erzherzogin Elisabeth Amalie von Österreich (1878–1960), einer Nichte von Kaiser Franz Joseph I., im Schloss Frauenthal in der Steiermark geboren (sein Taufpate war Kaiser Franz Joseph I.). Nachdem mit dem kinderlosen Tod seines Vorgängers Fürst Franz I. von Liechtenstein (1853–1938) das Majorat erloschen war, kam mit Franz Josef II. die Sekundogenitur an die Regierung. Er war seit dem 7. März 1943 mit Gräfin Georgina (Gina) Wilczek (1921–1989) verheiratet. Das Paar hatte fünf Kinder, darunter Franz Josefs Nachfolger Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein (geb. 1945).
Der Fürst konnte noch den Beginn des grossen wirtschaftlichen Wiederaufschwungs erleben, nicht aber den Zusammenbruch des Kommunismus, den er noch vorausgesagt hatte. Er verstarb am 13. November 1989 in Grabs in der Schweiz.
VERLEGUNG DES WOHNSITZES NACH LIECHTENSTEIN
Franz Josef II. übernahm am 30. März 1938 (bis zum Tod seines Vorgängers Franz I. im Juli zunächst noch als Prinzregent) die Regentschaft über das Fürstenhaus und das Fürstentum in einer schwierigen Zeit. Nach dem am 13. März 1938 vollzogenen „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich nahm Franz Josef II. als erster Landesfürst Wohnsitz in Vaduz und somit in Liechtenstein. Dies führte zu einer engen Verbindung zwischen Volk und Monarch, wie sie zuvor nicht existiert hatte.
Nur zwei Monate nach dem Scheitern eines Putsches, mit dem liechtensteinische Nationalsozialisten den Anschluss des Fürstentums an das Deutsche Reich erzwingen wollten, wurde die Erbhuldigung am 29. Mai 1939 beim Schloss Vaduz als Bekenntnis des Volkes zum Staat, zur Monarchie und zur Erhaltung der Unabhängigkeit zelebriert.
Die Verlegung des Wohnsitzes nach Vaduz führte zu einer engen Verbindung zwischen Volk und Monarch, wie sie zuvor nicht existiert hatte.
Davor hatte Franz Josef II. nach dem Studium an der Hochschule für Bodenkultur in Wien seine ganze Energie der Verwaltung der ausgedehnten Güter in der Tschechoslowakei gewidmet, ein Interessenschwerpunkt, der ihn jedoch nicht davon abhielt, zeitgleich ein tief reichendes Verständnis für die Kunstsammlung der Familie zu entwickeln.
DIE SAMMLUNGEN IN VADUZ
Die Hauptaufgabe während der ersten Jahre seiner Regentschaft war, das Erbe der Familie möglichst unversehrt in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hinüberzuretten. Zunächst bestand noch die Hoffnung, dass die Auswirkungen des Nationalsozialismus bald überdauert sein würden. Auch ahnte niemand, wie dauerhaft die Entscheidungen sein würden, die die neue Regierung der nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft im April 1945 wiedergegründeten tschechoslowakischen Republik traf.
Die nationalsozialistischen Machthaber hatten den historischen Fideikommiss sofort aufgehoben und den im Gartenpalais in Wien befindlichen Teil der Sammlungen unter das österreichische Denkmalschutzgesetz gestellt. Erst in den letzten Kriegsmonaten konnten die wichtigsten Teile der Sammlung, ausgenommen beispielsweise der für einen Transport damals zu grosse "Decius-Mus"-Zyklus von Peter Paul Rubens (1577–1640) oder die Plastiken von Adrian de Fries (1556–1626), zuerst auf die Insel Reichenau und anschliessend bis zum 14. April 1945 nach Vaduz verbracht werden.
1948 wurden in Luzern in der Schweiz die wichtigsten Meisterwerke der Sammlungen gezeigt.
In der Nachkriegszeit war an eine Wiedereröffnung des Museums in Wien aus logistischen und materiellen Gründen nicht zu denken. Das Vermögen der Familie war durch die Enteignungen in der Tschechoslowakei zu grossen Teilen verloren gegangen, Wien wurde bis 1955 von den Besatzungsmächten kontrolliert. Dennoch konnten die Sammlungen mit zwei Ausstellungen Akzente setzen, freilich nicht in Wien, sondern im schweizerischen Luzern. Der Schweiz sollte auf diese Weise für die Hilfe bei der Rettung der Sammlung gedankt werden. 1948 wurden in Luzern die wichtigsten Meisterwerke gezeigt. In einer zweiten Schau im Jahr 1950 präsentierte man ebenfalls wieder dort den Kern der Biedermeier-Sammlung mit dem damals noch vorhandenen grossen Werkblock der Gemälde von Carl Spitzweg (1808–1885).
KUNSTVERKÄUFE NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
Durch ein am 26. Juni 1945 erlassenes Enteignungsdekret des Landwirtschaftsministeriums auf der Grundlage eines der Dekrete des Präsidenten der tschechoslowakischen Republik Edvard Beneš vom 19. Mai 1945 gingen sämtliche Immobilien sowie der gesamte bewegliche Besitz des Hauses Liechtenstein in den böhmischen Ländern verloren. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor war der nicht absehbare Abzug der Besatzungsmächte in Österreich. Die Bewirtschaftung der grossen Güter im Familienbesitz im nördlichen Weinviertel war dadurch unmöglich.
Um in dieser fast ausweglosen Situation nach dem Verlust von 80 Prozent des Besitzes Einkommen zu generieren, begann man damit, Kunstwerke aus den Sammlungen zu verkaufen. So stellt heute Leonardo da Vincis (1452–1519) „Ginevra de’ Benci“, die noch das Katalogcover der Ausstellung von 1948 in Luzern geziert hatte und 1967 verkauft wurde, ein Meisterwerk der National Gallery of Art in Washington dar. Als letztes wichtiges Gemälde der Sammlung wurde 1969 eines der Hauptwerke von Frans Hals (1581–1666), das „Porträt des Willem van Heythuysen“, an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen veräussert.
Um in der fast ausweglosen Situation nach dem Verlust von 80 Prozent des Besitzes Einkommen zu generieren, begann man damit, Kunstwerke aus den Sammlungen zu verkaufen.
WIEDERAUFNAHME DER ANKAUFSTÄTIGKEIT
Man kann nur ahnen, wie schwer es dem Fürsten bei seiner Liebe zur Kunst und seinem Kunstverständnis für dieses Gebiet gefallen sein muss, viele Werke veräussern zu müssen. Seine Beziehung zur Kunst und der Impuls, an die Errungenschaften seiner Vorfahren in Bezug auf die Sammlungen anknüpfen zu wollen, ist dennoch an einigen wesentlichen Neuerwerbungen ablesbar. Als erste Erweiterung der Fürstlichen Sammlungen nach der Periode der Veräusserungen erfolgte 1977 der Ankauf der Ölskizze „Mars und Rhea Silvia“ von Peter Paul Rubens, ein Entwurf des Meisters zu seinem grossformatigen, 1710 von Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein (1657–1712) erworbenen Gemälde.
Es war dies ein Wendepunkt in der Sammlungspolitik, der bewusst von Franz Josef II. gemeinsam mit seinem Sohn Hans-Adam vorgenommen wurde. Durch sie kam es auch in den nächsten Jahren zu wesentlichen Zuwächsen, darunter Posthumus’ „Landschaft mit römischen Ruinen“, Mompers „Grosse Gebirgslandschaft“, Jordaens’ „Meleager und Atalante“ oder Van Dycks „Porträt des James Hamilton, dritter Marquess von Hamilton“.
Als erste Erweiterung der Fürstlichen Sammlungen nach der Periode der Veräusserungen erfolgte 1977 der Ankauf der Ölskizze „Mars und Rhea Silvia“ von Peter Paul Rubens.
Mit Massimiliano Soldani-Benzis Skulptur „Tanzender Faun“ gelang 1979 sogar ein Rückkauf eines Objekts, das in den 1920er-Jahren aus den Sammlungen veräussert worden war. Auch auf dem Gebiet der Grafik konnten wichtige Erwerbungen getätigt werden: Mit umfangreichen Konvoluten von Peter Fendi, Josef Höger und Rudolf von Alt gelang es Franz Josef II., die Bestände des Wiener Biedermeier mit Hauptwerken zu bereichern.
ERNEUTE WEGE IN DIE ÖFFENTLICHKEIT
Ein wichtiger Schritt war auch die Bestellung eines eigens für die Kunstsammlungen zuständigen Direktors, Reinhold Baumstark, sowie der Ausbau von adäquaten Depots in Vaduz, in denen der teilweise noch verstreute Bestand wieder zusammengeführt werden konnte.
Die Fürstlichen Sammlungen setzten ein erstes bedeutendes, international sichtbares Zeichen mit der spektakulären Ausstellung im Metropolitan Museum of Art in New York (1985/86), die nach langer Zeit wieder bewusst machte, welch bedeutende Werke für die Öffentlichkeit nicht zugänglich waren. Erstmals waren wieder die Höhepunkte der Sammlungen, von Peter Paul Rubens’ "Decius-Mus"-Zyklus über den Goldenen Wagen bis hin zu Franz Xaver Messerschmidts Monumentalskulpturen, in einer perfekt präsentierten Ausstellung zu sehen.