Fürst Franz I. von Liechtenstein
1853–1938

Hermann Clemens Kosel (1867–1945), Porträt des Fürsten Franz I. von und zu Liechtenstein

Vorgänger
Fürst Johann II. von LiechtensteinFürst Franz I. von Liechtenstein fungierte von 1894 bis 1898 als Botschafter Österreich-Ungarns in Sankt Petersburg. Für seine vielen wissenschaftlichen Initiativen wurde er mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht. Am 30. März 1938, kurz vor seinem Tod, übergab er die Regierungsgeschäfte an seinen Grossneffen Franz Josef II. von und zu Liechtenstein.
Franz I. wurde am 28. August 1853 als jüngster Sohn von Fürst Alois II. und seiner Gattin Franziska im Schloss Liechtenstein bei Mödling geboren. Am 22. Juli 1929 heiratete er Baronesse Elsa Erös von Bethlenfalva, geb. von Gutmann (1875–1947). Das Paar blieb kinderlos. Nach dem Tod seines ebenfalls kinderlos gebliebenen Bruders Fürst Johann II. übernahm er 1929 die Regierung des Hauses Liechtenstein. Am 25. Juli 1938 verstarb Franz I. auf Schloss Feldsberg (Valtice), wohin er sich mit seiner Gemahlin (sie war jüdischer Abstammung) nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich zurückgezogen hatte. Die Regentschaft hatte er am 30. März an seinen Nachfolger Franz Josef II. übertragen.
DIPLOMATIE UND LEISTUNGEN FÜR DIE GESCHICHTSFORSCHUNG
Lange Zeit stand Franz I. im Schatten seines Bruders Fürst Johann II. und unterstützte diesen bei der Verwaltung seiner Besitzungen, häufig übernahm er auch dessen Vertretung. Er war durch seine juristische Ausbildung und seinen frühen Eintritt in den diplomatischen Dienst geprägt.
Von 1894 bis 1898 fungierte er als k. u. k. österreichisch-ungarischer Botschafter in Sankt Petersburg, wo er die Beziehungen zwischen Russland und der österreichisch-ungarischen Monarchie zu verbessern suchte.
Der Ankauf der umfangreichen Bibliothek des russischen Historikers Wassili Bilbassow bildete die Grundlage der 1907 eingerichteten Lehrkanzel und des Seminars für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien.
Die grössten Erfolge erbrachte die Botschaftertätigkeit von Franz I. aber nicht auf dem Feld der Politik, sondern auf dem der historischen Wissenschaften. Er gab viel Geld für historische Publikationen aus. Ihm gelang es erstmals, österreichischen Historikern Zugang zu russischen Archiven zu verschaffen. Er war überzeugt, dass man die Geschichte Russlands kennenlernen müsse, um das Land besser zu verstehen und auf dieser Grundlage die zwischenstaatlichen Beziehungen zu verbessern.
Der Ankauf der umfangreichen Bibliothek des russischen Historikers Wassili Bilbassow (1837–1904) bildete die Grundlage der 1907 eingerichteten Lehrkanzel und des Seminars für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien, die er auch später noch finanziell unterstützte. Sein Interesse an Kunst und Kultur dokumentiert weiters seine Arbeit für die K. K. Zentralkommission für Denkmalpflege, der er seit 1911 als Präsident vorstand.



Porträt des späteren Fürsten Franz I. von Liechtenstein (1853–1938) im Alter von 8 Jahren
1861
Josef Neugebauer (1810–1895)
WERKE AUS DER SAMMLUNG GUTMANN
Von der Familie seiner Frau konnte Franz I. 1932 das Gut Kalwang in der Steiermark erwerben. Dieser Ankauf war auch für die Sammeltätigkeit des Fürsten von Bedeutung, da zusammen mit dem Schloss eine grosse Anzahl von Kunstwerken gewonnen werden konnte, die sich teilweise noch heute in den Fürstlichen Sammlungen befinden. Diese Bilder sind auch ein Beweis für den Rang der Familie Gutmann nicht nur als Bankiers und Wohltäter – in Kalwang begründete sie unter anderem das dort heute noch bestehende Spital –, sondern auch als Kunstsammler.
Mit dem Ankauf des Guts Kalwang konnte eine grosse Anzahl von Kunstwerken gewonnen werden, die sich teilweise noch heute in den Fürstlichen Sammlungen befinden.
Somit konnte Franz I. in der kurzen Zeit seiner Regentschaft einige bedeutende Kunstwerke, überwiegend Gemälde, in die Fürstlichen Sammlungen einbringen. Erwähnenswert ist vor allem das Hans Hoffmann (um 1530–1592) zugeschriebene Täfelchen „Der heilige Eustachius“, das Albrecht Dürers (1471–1528) Kupferstich von 1501/02 zur Vorlage hat und ein exzellentes Beispiel für die Dürer-Renaissance gegen Ende des 16. Jahrhunderts darstellt.
Eine kostbar mit Elfenbeinschnitzereien verzierte Jagdarmbrust konnte der Fürst ebenfalls zusammen mit dem Gut Kalwang erwerben. Sogar die Winde mit ihrer eisernen Zahnstange, mit der man die Bogensehne spannte, blieb zu dieser Armbrust erhalten. Im Zentrum der in Elfenbein geschnitzten Szenen steht nicht primär die Jagd, sondern das Thema der „Weiberlist“ nach Vorlagen des Alten Testaments und der Antike.







Der heilige Eustachius
Hans Hoffmann (1545/1550–1591/1592), zugeschrieben
nach Albrecht Dürer (1471–1528)
Armbrust
1547
Unbekannter Meister
Das Innere der Oude Kerk in Delft
3. Viertel 17. Jh.
Hendrick Cornelisz. van Vliet (1611–1675)
Ein weiteres wichtiges Kunstwerk, das durch Franz I. in die Sammlungen gelangte, ist „Das Innere der Oude Kerk in Delft“ von Hendrick Cornelisz. van Vliet (1611–1675), von ihm 1932 mit dem Gut Kalwang erworben und Zeugnis für die hohe Kultur der Innenraumdarstellung in Holland in der Mitte des 17. Jahrhunderts.
Von grosser Qualität sind auch die 2011 durch sorgfältige Restaurierung wiedergewonnenen Tierdarstellungen und Stillleben des Jan van Kessel (1626–1679), die, auf Kupfertäfelchen gemalt, zu den Kleinoden der Fürstlichen Sammlungen zählen.
DOKUMENTATIONEN EINER LEIDENSCHAFT – JAGD UND FOTOGRAFIE
Die erwähnten Objekte sind ein Hinweis dafür, wie sehr Franz I. die Jagd und damit das Erbe all jener Güter, auf denen man dieser fürstlichen Leidenschaft nachkommen konnte, am Herzen lagen.
Wie sein Vorgänger Johann II. öffnete sich der Fürst der damals neuesten aller technischen Künste, der Fotografie.
Gern liess er sich auf Fotos bei Jagden festhalten, die ihn in den ausgedehnten Augebieten am Zusammenfluss von March und Thaya mit dem erlegten Wild zeigen. Im Grossraum dieses Gebietes hatten seine Vorfahren Fürst Alois I. und Fürst Johann I. den noch heute bestehenden weitläufigen Landschaftsgarten angelegt.
Die Ära der Maler und Zeichner, die die Fürsten noch auf ihren Jagden begleitet und solche Ereignisse in Skizzen und Ölbildern festgehalten hatten, war endgültig vorbei. Wie sein Vorgänger Johann II. öffnete sich der Fürst der damals neuesten aller technischen Künste, der Fotografie.



OBJEKTE DER FÜRSTLICHEN SAMMLUNGEN erworben durch