Fürst Alois II. von Liechtenstein
1796–1858

Moritz Michael Daffinger (1790–1849), Fürst Alois II. von Liechtenstein (1796–1858), aus dem Gästealbum der Fürstin Melanie von Metternich (1805–1854), 16.4.1837

Vorgänger
Fürst Johann I. von Liechtenstein
Nachfolger
Fürst Johann II. von LiechtensteinFürst Alois II. von Liechtenstein setzte, den Neuerungen, die er in England kennengelernt hatte, verpflichtet, die Modernisierungsmassnahmen seiner beiden Vorgänger auf den Familiengütern fort. Das Stadtpalais in der Bankgasse erneuerte er im Stil des Neorokoko, sein Faible für England zeigte sich auch bei der an schottischen Vorbildern orientierten Umgestaltung des Schlosses in Eisgrub (Lednice).
Alois II. wurde am 25. Mai 1796 als ältester Sohn von Johann I. und seiner Gattin Josepha Sophie in Wien geboren. Seit dem 8. August 1831 war er mit Gräfin Franziska Kinsky von Wchinitz und Tettau (1813–1881) verheiratet. Das Paar hatte elf Kinder, darunter Alois’ II. Nachfolger Johann II. und Franz I. Alois II. starb am 12. November 1858 in Eisgrub (Lednice).
ENTSCHEIDUNG FÜR DIE UMGESTALTUNG DES PALAIS IN DER BANKGASSE
Eine grosse Affinität zu England zeichnet das Denken und Handeln von Alois II. aus. Er beherrschte die Sprache des Landes perfekt und lernte dessen Kultur und neuesten Trends auf mehreren Reisen kennen. Sein an englischen Vorbildern orientierter Kunstgeschmack manifestierte sich in der Wahl des Architekten, des Engländers Peter Hubert Desvignes (1804–1883), für seine wichtigsten Bauunternehmungen. In Wien beauftragte er die Umgestaltung des Majoratshauses in der Bankgasse, der damaligen Vorderen Schenkenstrasse. In Eisgrub (Lednice) liess er das Schloss in neugotischen Formen grundlegend umbauen und ein neues Glashaus errichten.
Der an englischen Vorbildern orientierte Kunstgeschmack des Fürsten manifestierte sich in der Wahl des Architekten Peter Hubert Desvignes für seine wichtigsten Bauunternehmungen.
Am Anfang all dieser Aktivitäten stand ein Auftrag des Fürsten an den Architekten Heinrich Koch (1781–1861). Dieser war am Klassizismus geschult und arbeitete auch für die Familien Kinsky und Dietrichstein. Er sollte im Sinne einer Machbarkeitsstudie für die Paläste in der Herrengasse und in der Bankgasse feststellen, welches der beiden Häuser „ohne bedeutende Baukosten“ zu einem zeitgeistigen Wohnpalais adaptiert werden könnte. Die Entscheidung fiel auf das Palais in der Bankgasse, das nach dem vollständigen Umzug der Galerie in das Gartenpalais in der Rossau weitestgehend unbewohnt war. Sogar eine Veräusserung des Gebäudes an die Österreichische Nationalbank war überlegt worden, die sich jedoch für einen Neubau auf einer anderen Parzelle in der Bankgasse entschieden hatte. Wie weit Kochs Pläne in der Umsetzung gediehen, ist nicht bekannt, noch 1848 bekam er für seine Leistung ein Honorar von 2.000 Gulden ausgezahlt.








Entwurf für das Erdgeschoss des Stadtpalais Liechtenstein in der Bankgasse
Unbekannter Meister
Entwurf für das Erdgeschoss des Stadtpalais Liechtenstein in der Bankgasse
Unbekannter Meister
Peter Hubert Desvignes an Fürst Alois II von Liechtenstein
Peter Hubert Desvignes (1804–1883)
Schloss Eisgrub
1842–1858
Peter Hubert Desvignes (1804–1883), Georg Wingelmüller (1810–1848), Johann Heidrich (unbekannt)
Umbauplan für das Schloss Eisgrub (Lednice): Grundriss
1838
Peter Hubert Desvignes (1804–1883)
Palmenhaus von Schloss Eisgrub
1842–1858
Peter Hubert Desvignes (1804–1883) (Pläne), Georg Wingelmüller (1810–1848) (Ausführung)
1837 mietete der Fürst das frei gewordene Palais Rasumofsky in der damaligen Vorstadt Landstrasse als Ausweichquartier und adaptierte es vollständig. 1838 kaufte er das Objekt und bewohnte es für knapp zehn Jahre bis zur Fertigstellung des Palais in der Bankgasse.
MODERNE UND AUFWENDIGE AUSSTATTUNG
1838 übernahm der in Konstantinopel geborene englische Architekt Peter Hubert Desvignes die Leitung des Umbaus des Majoratshauses in der Bankgasse. Im Mittelpunkt standen die immer aufwendiger werdenden Arbeiten im Inneren. Bedeutsam ist die Mitarbeit Michael Thonets (1796–1871), der die im technisch neuartigen Bugholzverfahren ausgeführten Fussböden der Prunkräume unter der Gesamtleitung des Tischlermeisters Carl Leistler (1805–1857) umsetzte.
Leistler selbst zeichnete weiters für die reich geschnitzte Ausstattung mit Boiserien und Möbeln verantwortlich. Die Seidenbrokatstoffe zur Bespannung der Wände und Tapezierung der Möbel wurden zum Grossteil in Wien produziert. Das Piano nobile war voll mit Kunstwerken früherer Perioden, aber auch mit Zeitgenössischem, wie der Malerei des Biedermeier, welche damals die Wiener Salons erobert hatte. Am 16. Februar 1848 feierte der Fürst die Eröffnung des neu gestalteten Palais mit einem grossen Ball, der ganz Wien beeindruckte.








Intarsierter Parkettboden, Ballsaal, Stadtpalais Liechtenstein
1837–1848
Michael Thonet (1796–1871)
Ballsaal, 2. Piano Nobile, Stadtpalais Liechtenstein, Ausstattung von 1837–1848 im Stil des Neorokoko
Quadratsaal, 2. Piano Nobile, Stadtpalais Liechtenstein, Ausstattung von 1837–1848 im Stil des Neorokoko
Originale, restaurierte Wandbespannung der Ausstattung von 1837–1848 im Stil des Neorokoko, Quadratsaal, 2. Piano Nobile, Stadtpalais Liechtenstein
Bouquetzimmer, 2. Piano Nobile, Stadtpalais Liechtenstein, Ausstattung von 1837–1848 im Stil des Neorokoko
Bedeutsam ist die Mitarbeit Michael Thonets, der die im technisch neuartigen Bugholzverfahren ausgeführten Fussböden der Prunkräume unter der Gesamtleitung des Tischlermeisters Carl Leistler umsetzte.
DER URSPRUNG DER FÜRSTLICHEN BIEDERMEIER-SAMMLUNG
Der Malerei des Biedermeier war der Fürst besonders zugetan. Er kannte die Maler, kaufte in ihren Ateliers und beauftragte viele jener Kostbarkeiten, die heute noch den Kern der Biedermeier-Sammlung des Fürstenhauses ausmachen. Die Maler begleiteten das Leben der Familie, beobachteten und dokumentierten in ihren Zeichnungen und Aquarellen das Heranwachsen der Kinder. So entstanden Bildnisse von grosser Intimität, wie das Porträt der schlafenden Marie Franziska von Liechtenstein mit ihrer Puppe von Friedrich von Amerling (1803–1887) oder die fast miniaturhaften Skizzenbücher und Aquarelle des Peter Fendi (1796–1842), die Alltagsszenen festhalten.
Die Maler begleiteten das Leben der Familie, beobachteten und dokumentierten in ihren Zeichnungen und Aquarellen das Heranwachsen der Kinder.
Das monumentale Porträt Friedrich von Amerlings des sechsjährigen Sohnes und Nachfolgers Johann II. auf dem Schimmelpony – in seinem reich geschnitzten und schwer vergoldeten Rahmen an Aufwand kaum noch zu übertreffen – war ein dominierender Bestandteil der Ausstattung des neu gestalteten Piano nobile des Majoratshauses in Wien.











Porträt der Prinzessin Marie Franziska von Liechtenstein (1834–1909) im Alter von zwei Jahren
1836
Friedrich von Amerling (1803–1887)
Porträt der Prinzessin Karoline von Liechtenstein (1836–1885) im Alter von eineinhalb Jahren
1837
Friedrich von Amerling (1803–1887)
Die Prinzessinnen Marie Franziska und Karoline von Liechtenstein lesend an einem Tisch in Schloss Eisgrub
1840
Peter Fendi (1796–1842)
Porträt des Fürsten Alois II. von Liechtenstein (1796–1858) mit seiner Tochter Marie Franziska (1834–1909)
1835
Josef Kriehuber (1800–1876)
Porträt des Fürsten Alois II. von Liechtenstein (1796–1858) mit seiner Gemahlin Fürstin Franziska und ihren drei Töchtern Marie Franziska, Karoline und Sophie
1838
Josef Kriehuber (1800–1876)
Fürst Alois II. von Liechtenstein (1796–1858) im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies, Ölskizze
1844/45
Friedrich von Amerling (1803–1887)
Fürst Alois II. von Liechtenstein (1796–1858) im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies
1845
Friedrich von Amerling (1803–1887)
Ölskizze zum Porträt des späteren Fürsten Johann II. von Liechtenstein (1840–1929) auf einem Schimmelpony
1844/45
Friedrich von Amerling (1803–1887)
Porträt des späteren Fürsten Johann II. von Liechtenstein (1840–1929) auf einem Schimmelpony
1844/45
Friedrich von Amerling (1803–1887)
Einblick in das Grosse Mahagonizimmer mit dem Porträt des späteren Fürsten Johann II. von Liechtenstein von Friedrich von Amerling, 2. Piano Nobile, Stadtpalais Liechtenstein
DOKUMENTATIONEN FÜRSTLICHEN LEBENS
Häufig waren die Künstler auch bei den fürstlichen Jagden anwesend. In den weiten Augebieten an March und Thaya im nordöstlichen Niederösterreich und in Südmähren entstanden die lebendigen Tierskizzen Friedrich Gauermanns (1807–1862), der diese für seine grossen, vor allem beim Hochadel beliebten Jagdbilder nutzte.
Rudolf von Alt aquarellierte die vom Fürsten von 1837 bis 1847 bewohnten Salons im Palais Rasumofsky sowie im Stadtpalais und schuf damit einzigartige Dokumente der Wohnkultur des 19. Jahrhunderts.
Der Schwager Friedrich Gauermanns, Josef Höger (1801–1877), begleitete wiederum Alois II. auf seinen Reisen. Er fertigte im Salzkammergut eine Serie der Landschaften und Orte an, die er in kraftvollen Aquarellen festhielt. Er war auch Zeichenlehrer der Kinder des Fürsten, die, ganz in der Tradition der Familie, eine breite musische Erziehung genossen.
Rudolf von Alt (1812–1905) aquarellierte – einem Fotografen gleich – die vom Fürsten von 1837 bis 1847 bewohnten Salons im Palais Rasumofsky sowie im Stadtpalais und schuf damit einzigartige Dokumente der Wohnkultur des 19. Jahrhunderts. Auf diesen Interieurbildern sind viele Gemälde, Aquarelle und Miniaturen erkennbar, die sich bis heute in den Sammlungen befinden.









Blick gegen den Feuerkogel bei Reiterndorf, Blatt 4 der Folge von Ansichten aus dem Salzkammergut
1836
Josef Höger (1801–1877)
Blick auf den Traunsee bei Ebensee, Blatt 22 der Folge von Ansichten aus dem Salzkammergut
1836
Josef Höger (1801–1877)
Der Gartensalon im Palais Rasumofsky an der Landstrasse in Wien
1845
Rudolf von Alt (1812–1905)
Schreibzimmer, ursprünglich die Bibliothek des Fürsten Rasumofsky
1842
Rudolf von Alt (1812–1905)
Die Wohnkultur ist zwar noch im Biedermeier verankert, aber das Herannahen der nächsten Epoche, des Historismus, wird bereits spürbar. Diesem war der Fürst schlussendlich genauso verpflichtet. Mit der Neuausstattung des Stadtpalais hatte er das erste grosse Ensemble des Neorokoko geschaffen. Gegen Ende seines Lebens liess er durch die Architekten Desvignes und Wingelmüller auch noch das Schloss in Eisgrub (Lednice) in Formen pittoresker Neogotik nach schottischen Vorbildern erneuern.
OBJEKTE DER FÜRSTLICHEN SAMMLUNGEN erworben durch